Innensenator räumt Schredder-Behörde auf

NSU Berliner Verfassungsschutz-Chefin tritt nach Aktenschredder-Affäre zurück. Opposition unzufrieden

BERLIN taz | Das Aktenschreddern des Berliner Verfassungsschutzes hat Konsequenzen: Am Mittwoch verkündete Innensenator Frank Henkel (CDU) den Rücktritt der Behördenleiterin Claudia Schmid. Gleichzeitig versprach er einen „kontrollierten Neuanfang“ des Geheimdiensts.

Henkel sagte auf einer Sitzung des Berliner Verfassungsschutzausschusses, Schmid habe ihn tags zuvor um Versetzung gebeten. Dafür gebühre ihr „Respekt“.

Schmid selbst bedankte sich bei den Abgeordneten für die „faire Zusammenarbeit“. Die frühere Berliner Vizedatenschutzbeauftragte hatte das Amt nach skandalträchtigen Vorjahren 2001 übernommen und neu aufgestellt. 2011 galt die 55-Jährige gar als mögliche Nachfolgerin von Bundesverfassungsschutzchef Heinz Fromm – der im Juli dieses Jahres nun ebenfalls über eine Schredder-Aktion stolperte.

Schmid musste in den letzten Tagen einräumen, dass in ihrem Geheimdienst gleich zweimal widerrechtlich Rechtsextremismus-Akten geschreddert wurden, die als abgearbeitete Vorgänge galten: im Juli 2010 und Ende Juni 2012 – in letzterem Fall Monate nach Bekanntwerden der NSU-Mörderzelle. Darunter waren Ordner über das rechtsmilitante Netzwerk „Blood and Honour“ und die Band Landser. In beider Umfeld bewegten sich Vertraute des NSU-Trios. Henkel sprach am Mittwoch von einem „verheerenden Gesamtbild“ des Berliner Verfassungsschutzes und kündigte „organisatorische Erneuerungen“ an.

Versetzt wird auch der Referatsleiter für Rechtsextremismus, der für die letzte Schredder-Aktion selbst die Akten freigab. Zudem, so Henkel, soll es mehr Rotation und Neueinstellungen geben, auch von Menschen mit Migrationshintergrund. Damit könne mehr „interkulturelle Kompetenz“ einkehren.

Die Opposition nannte die Schritte „keinen Befreiungsschlag“. „Wer klärt jetzt weiter auf?“, fragte der Grüne Benedikt Lux. Das Versagen sei „systematisch“ und betreffe auch die Senatsspitze. Henkel selbst steht in der Kritik, weil er monatelang verschwieg, dass die Berliner Polizei einen V-Mann führte, der auch NSU-Helfer war. Hakan Tas (Linke) warf ihm vor, seine Probleme „auf andere abzuwälzen“. Der Rückzug Schmids stelle nicht sicher, dass nicht noch mehr Akten geschreddert würden. Auch der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sprach von einem wohl nicht freiwilligen Rückzug Schmids. Deren Verhalten aber sei eine „Frechheit“ gewesen, da sie seit Wochen von den Schredder-Aktionen gewusst habe, ohne darüber zu informieren.

KONRAD LITSCHKO

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