„Wir sind Kult“

Ein Gespräch mit Jürgen Drews, dem König von Mallorca, über die Entwicklung der Insel, Partys und den höllischen Spaß, den er dabei hat

VON EDITH KRESTA

taz: Herr Drews, seit wann treiben Sie sich auf Mallorca herum?

Jürgen Drews: Ich bin 1977 zum ersten Mal nach Mallorca geflogen, weil man mich für viel Geld einmalig verpflichtet hat auf die Partymeile in El Arenal. Ich habe viel mehr Geld bekommen, als es meiner Gage damals entsprach. Denn eigentlich wollte ich nicht nach Mallorca, auf diese Putzfraueninsel. Niemals! Ich hatte damals genau diesen Tunnelblick auf die Insel, hinter dem sich auch heute noch viele verstecken. Diese Vorurteile.

Was meinen Sie damit?

Wenn mein Name fällt, dann läuft doch dieser Film im Kopf ab: „Um Gottes Willen! Der König von Mallorca vor dickbäuchigen, besoffenen Feiernden.“

Ist das nicht so?

Damals bestätigte sich das total. Ich bin aufgetreten in so einem Laden. Und ich habe mich damals ganz despektierlich und vorurteilsbeladen wie ich war eingereiht in diesen Tunnelblick. Ich habe gesagt, wenn ihr die Slums von Deutschland sehen wollt, dann müsst ihr nach El Arenal fahren. Das war mein Ausspruch 1977. Ich fand es oberätzend. Was ich geil fand, war der Strand dort. Und nachdem ich mir die Insel angeguckt habe, habe ich mich gefragt, wie ist es nur möglich, dass man dort solche Hotels hochzieht wie in El Arenal. Das waren unglaublich korrupte Verhältnisse. Das war nicht billiger Tourismus, sondern Billigst-Tourismus.

Und warum sind Sie trotzdem dort geblieben und sogar König von Mallorca geworden?

Also ich bin dann angesprochen worden von dem Laden, dessen Namen ich auch total degoutant finde. Dass man einen Laden an einem der schönsten Strände Mallorcas baut und der Laden dann Oberbayern heißt, das ist ja ein Schlag ins Gesicht der spanischen Kultur. Das heißt ja, am deutschen Wesen soll die Welt genesen. So kam mir das vor. Nun hat mich just dieser Chef, mit dem ich mittlerweile befreundet bin, dauernd angesprochen, ob ich im Oberbayern auftrete. Ich sagte zunächst nein, in diesen Scheißladen gehe ich nicht. Bin aber dann doch hin und habe immer nebenbei dort gearbeitet.

Finden Sie den Namen jetzt nicht mehr schlimm?

Ich finde bis heute, dass der Name unglaublich ist, und dann treten die Jungs dort auch noch in Lederhosen vor die Leute. Da dies aber so antipodisch ist, ist das schon wieder – und das bitte ich in Anführungsstriche zu setzen – „Kult“.

Wieso Kult?

Das ist wirklich so. Ich singe hauptsächlich vor Jugendlichen. Ich hatte vorige Woche Dienstag – ich trete immer dienstags in der Saison im Oberbayern auf – eine Gruppe vor mir. Auf deren T-Shirts stand Notarzt. Die haben gefeiert bis der Abend kam. Ich habe gedacht, also die sehen so aus, als ob sie alle Ärzte wären. Und es waren alles Ärzte.

Dann waren es aber keine Jugendlichen mehr..

Die waren so 35. Männer. Und einen habe ich auf die Bühne raufgeholt, der hat mir dann den Umhang und die Krone angelegt. Das war ein Gynäkologe. Das bestätigt nur, was ich sage.

Sie meinen das mit Kult in Anführungsstrichen und gehobener Schicht?

Man feiert doch nur, um sich selber zu attestieren: Meine Güte, was sind wir doch richtig schön blöd. Für zwei Stunden, inklusive meiner Person. Verstehen Sie mich nicht falsch und machen Sie nicht die Sache mit mir, die die Bild-Zeitung gemacht hat. Da soll ich gesagt haben, die sind alle gehirnamputiert, die da vor mir stehen. Das ist Quatsch. Wir gerieren uns in diesem Moment als gehirnamputiert. Alle. Inklusive meiner Person. Das wurde aber so dargestellt, als ob ich, der keinen Alkohol trinkt, morgens um drei sage, die da vor mir stehen sind alle bescheuert. Und ich, der große Jürgen Drews, verarsche euch alle. Nein! Nein! Nein! Ich therapiere mich damit.

Wie das?

Ich mag privat keine Partys. Ich war früher ganz schüchtern, und um mich zu therapieren, mich ein bisschen locker zu machen, hat mein Vater, der selbst Arzt war, mich auf die Bühne geschubst. Und jetzt stehe ich darauf und es macht mir einen höllischen Spaß. Je wilder desto besser. Es muss ja irgendetwas haben, dieses Abfeiern. Man kann das nicht damit abtun: alles Besoffene.

Ist Mallorca Ihrer Ansicht nach heute anders?

Erstens ist El Arenal nicht mehr der Slum von Deutschland. Mittlerweile müssen die Deutschen aufpassen, dass sie nicht unangenehm auffallen mit ihren dicken Autos. Dass sie sich gerieren wie Bonzen kommt auf der Insel überhaupt nicht gut an. Und außerdem sind die Deutschen inzwischen gegenüber den Briten handzahm. Ich erlebe keine Schlägerei, keine Besäufnisse. Das hat sich in den letzten zwei, drei Jahren verbessert, auch weil um 12 Uhr nachts musikalische Sperrstunde ist. Und oft haben die Feiernden auch nicht mehr so viel Geld , um sich bis Ultimo den Geist aus der Seele zu saufen.

JÜRGEN DREWS ist Schlagersänger und wurde mit „Ein Bett im Kornfeld“ berühmt. Seit Jahren heizt der inzwischen betagte „König von Mallorca“ die Partys in El Arenal an