Schleswig-Holstein

Die Bundesparteien von Sozialdemokraten und Grünen reagieren ziemlich unterschiedlich auf das Ergebnis der Landtagswahlen

Gute Stimmung, schwierige Aussichten

Grüne Nach dem Wahlerfolg in Kiel und vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen denken die Grünen darüber nach, welche Koalitionen in Zukunft funktionieren könnten – und welche nicht

BERLIN taz | Berlin am Montag Mittag. Ein Trio der Grünen tritt in der Bundespressekonferenz an, um gute Stimmung zu demonstrieren. Cem Özdemir, der Bundesvorsitzende, ist sichtlich froh, endlich mal keine Fragen nach miesen Umfragen beantworten zu müssen. Und mal wieder mit Attacken auf die Konkurrenz Gehör zu finden.

Die FDP, so der grüne Liberale, habe bei Ökologie und Elektromobilität eine „komplette Leerstelle“. Monika Heinold, Finanzministerin und Spitzenkandidatin aus Kiel, betont, wie fern die CDU in Schleswig-Holstein der Ökopartei steht, gerade in Sachen Weltoffenheit. Und der Schuldige für das Ende der Küstenkoalition ist auch ausgemacht: SPD-Ministerpräsident Torsten Albig. Dessen Äußerungen über seine Exgattin in der Zeitschrift Bunte haben „mich als Frau nicht begeistert“, so Heinold trocken. Offenbar wollen die Grünen in Kiel der FDP die Aussicht auf eine Ampel verschönern – ohne Wahlverlierer Thorsten Albig.

Die Düsseldorfer grüne Bildungsministerin Sylvia Löhrmann hofft erwartungsgemäß auf „Rückenwind aus dem Norden“. Deshalb ist sie hier: In Nordrhein-Westfalen, wo am kommenden Sonntag gewählt wird, sieht es gar nicht gut aus für eine Fortsetzung von Rot-Grün. Vor allem die Grünen brauchen dringend gute Nachrichten. Sogar das Ende ihrer parlamentarischen Existenz ist in den Bereich des Möglichen gerückt. Deshalb haben sie in NRW offiziell eine Koalition mit FDP und CDU ausgeschlossen.

Löhrmann beschwört einen Lagerwahlkampf: hier Rot-Grün, dort die marktradikale FDP und die nach rechts gekippte Union, in der sogar der brave Armin Laschet neuerdings von Leitkultur rede. Für die Grüne stehen am Sonntag sogar die „zivilisatorischen Errungenschaften“ der Republik auf dem Spiel.

Trotz der Rückenwind-Metaphorik sind die Unterschiede zwischen Kiel und Düsseldorf unübersehbar. In NRW setzen die Grünen im letzten Moment und im Stil einer Panikattacke auf Konfrontation mit CDU und FPD, im Norden schließen sie eine Regierung mit diesen Parteien nicht aus. Auch sonst ist die Ausgangslage dort anders als im Westen: In Schleswig-Holstein hat der populären Vizeministerpräsident Robert Habeck als Minister für Energie, Umwelt und Landwirtschaft das grüne Kernthema besetzt – und damit durchschlagenden Erfolg gehabt. Bei der Energiepolitik trauten 49 Prozent der WählerInnen im Norden den Grünen am meisten zu, bei der Umweltpolitik sogar 66 Prozent. Von solchen Kompetenzwerten kann die Düsseldorfer Bildungsministerin und grüne Spitzenfrau nur träumen.

Tröstlich für die NRW-Grünen ist, dass es mit der Jamaika-Koalition in Kiel noch dauern wird. Die ist angesichts der herben SPD-Verluste wahrscheinlicher als eine Ampel. Sicher ist, dass es eine neue Regierung in Kiel erst lange nach der NRW-Wahl geben wird. Ein glückliches Timing für die NRW-Grünen, denn so bleibt ihnen die Frage erspart, warum in Kiel geht, was in Düsseldorf wuchtig zum No-go erklärt wird.

Die grünen Realos im Bund kalkulieren indes jetzt schon für den Herbst mit einer Jamaika-Koalition. Es kann gut sein, dass dann nur eine Große Koalition oder ein Bündnis mit Union und FDP möglich ist. Scharfe Attacken gegen die Anti-Öko-Partei FDP, wie sie Özdemir anstimmt, sind da kein Widerspruch. Im Gegenteil: Sie zeigen, warum die Grünen unbedingt als Öko-Korrektiv in die Regierung gehören. Stefan Reinecke