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Tour D’Afrique du Nord
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Emel: Ensen (Partisan Records)

Zeugin der Anklage

Als Stimme des Umbruchs in Tunesien wurde Emel Mathlouthi berühmt. Auf ihrem Album „Ensen“ („Mensch“) erfindet sie sich neu und führt arabischen Folk, TripHop, Elektropop und Postrock zur faszinierenden Synthese zusammen. Zur Seite stand ihr dabei der isländische Produzent Valgeir Sigurdsson.

Exemplarisch für die Stimmung auf „Ensen“ ist das kraftvolle „I am Lost“, in Englisch und Arabisch gesungen, mit seinen knisternden, schabenden und zerhackten Beats, die hypnotisch mäandern und sich dann bedrohlich auftürmen. Auch „Ensen Dhaif“ („Hilfloser Mensch“) wechselt zwischen trancehafter Percussion, Postrock und zarten Momenten. Im Videoclip tritt die Sängerin zwischen entblößten Männern auf, deren Augen verbunden und Hände verschnürt sind. Ihre zuckenden Körper, wie von Stromstößen durchfahren, lassen an Szenen aus Abu Ghraib und anderen Folterkellern denken. Emel Mathlouthis anklagender Gesang klingt dazu wie ein Aufschrei angesichts der Schutzlosigkeit so vieler Menschen in so vielen arabischen Ländern.

Noura Mint Seymali: Arbina (Glitterbeat)

Allahs Groove

Arbina ist einer der vielen Namen Allahs, wie Gott auf Arabisch genannt wird. Der Titelsong verbindet ein religiöses Motiv mit einer modernen Botschaft: er ermahnt Frauen, zur Krebsvorsorgeuntersuchung zu gehen. So verbindet Noura Mint Seymali beide Welten, die Tradition und die Gegenwart. Die Sängerin ist tief in der Tradition der maurischen Griots verwurzelt, der traditionellen Preissänger und Geschichtenerzähler, und stammt aus einer alten Musikerdynastie. Doch seit ihrem internationalen Debüt „Tzenni“ aus dem Jahre 2014 wird sie auch von Freunden des psychedelischen Gitarrenrock verehrt. Sie spielt die Langhalslaute Ardine, ihr Gatte Jeiche Ould Chighaly begleitet sie auf der Tidanet-Laute, einer Art Banjo. Kombiniert mit E-Gitarre, Bass und Schlagzeug, erzeugen sie einen rumpelnden Monstergroove. Und ganz nebenbei widerlegt Noura Mint Seymali das Vorurteil, das sich eine religiöse und verschleierte muslimische Frau nur als fremdbestimmt vorstellen kann.

Ethio Stars. Tukul Band feat. Mulatu Astatke: Addis 1988 (Piranha)

Ethio King

Seit Jim Jarmush seinen Film „Broken Flowers“ 2005 mit Musik von Mulatu Astatke unterlegte, ist er kein Geheimtip mehr. Das Piranha-Label bringt nun eine längst vergriffene Aufnahme des 74-jährigen „Vater des Ethio Jazz“ neu heraus. Sie stammt aus einer Zeit, als Äthiopien unter einer kommunistischen Diktatur ächzte. Doch Ausgangssperren, Zensur und Stromausfällen stoppten die Spielfreude nicht. Mulatu Astatke lieferte Kompositionen und Arrangemenents für die Ethio Stars, die sich in den Hotels der Hauptstadt von Soul, Reggae und Rock anstecken ließen, und gab mit der Tukul Band der traditionellen Krar-Musik Äthiopiens einen frischen Anstrich.