Autonom mit Bio-Strom

Die Gemeinde Jühnde im Kreis Göttingen stellt ihre Energieversorgung auf Biomasse um: Ab morgen werden dort Strom und Wärme komplett aus dem erzeugt, was Felder und Wälder vor Ort hergeben

Das nächste Ziel: Der Aufbau eines „Kompetenzzen-trums Bioenergie“

von Reimar Paul

Von der Krise beim Bau war in Jühnde bei Göttingen zuletzt nicht viel zu merken. Unter anderem neue Versorgungsleitungen wurden nötig in dem 800-Einwohner-Dorf, Anfang September kam dann der Transformator für die Biogasanlage. Die Anlage wird am morgigen Dienstag in Betrieb genommen. Damit beginnt die Versorgung der Haushalte mit umweltfreundlich produzierter Energie.

„Strom und Wärme werden aus dem erzeugt, was Felder, Wiesen und Wälder hergeben“, sagt der Vorsitzende der kommunalen Betreibergesellschaft, Eckhard Fangmeier. Als erste deutsche Kommune stelle Jühnde die Energieversorgung komplett auf Biomasse um. „Der 27. September ist ein Meilenstein im Bereich der Nutzung nachwachsender Rohstoffe.“

Nach einem Monate langen Auswahlverfahren hatten Wissenschaftler der Göttinger Universität Jühnde vor mehr als vier Jahren zum künftigen Bioenergiedorf bestimmt. Vor allem wegen der großen Zahl an Bauernhöfen. Die noch zehn landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe sollen die Biogasanlage mit Gülle und Grünschnitt beliefern. In einer Umfrage hatten 85 Prozent der JühnderInnen die Idee als „gut“ bis „sehr gut“ bezeichnet.

Die Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk erzeugt Wärme und Strom. In der Anlage werden Gülle, Blätter und so genannte Energiepflanzen vergoren. Das dabei entstehende Biogas verbrennt in einem Motor, der wiederum einen Generator antreibt.

Jährlich über vier Millionen Kilowattstunden Strom – deutlich mehr, als das Dorf verbraucht – soll das Kraftwerk erzeugen. Diese Energie wollen die Jühnder ins öffentliche Netz einspeisen. Die Verbrennungswärme reicht im Sommer für Heizung und Warmwasser, sagt Eckhard Fangmeier. Den zusätzlichen Bedarf im Winter soll ein mit Holz aus den nahen Wäldern befeuertes Hackschnitzelheizwerk decken.

Aufwändiger als die Erzeugung ist die Verteilung der Energie. Die Jühnder mussten ein ganz neues Leitungsnetz mit Wärmetauschern, Messuhren und Heizkesseln installieren. Trotzdem haben sich bislang schon drei Viertel der Haushalte an das neue Nahwärmenetz anschließen lassen.

Fördergelder kommen vom Bund, dem Land Niedersachsen und dem Landkreis Göttingen. Allein die Bundesregierung hat 1,32 Millionen Euro für das Projekt bewilligt. Die Betreibergesellschaft musste noch 300.000 Euro Eigenkapital aufbringen. Für die Begleitforschung durch Wissenschaftler der Universität Göttingen gab es vom Verbraucherschutzministerium in Berlin noch einmal 437.000 Euro.

Die Arbeitsgruppe am Interdisziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Hochschule ist schon jetzt davon überzeugt, dass das Bioenergiedorf einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten kann. Die bislang zur Energieerzeugung genutzten Rohstoffe wie Öl, Gas oder Uran werden immer knapper, sagt der Sprecher des Zentrums, Volker Ruwisch. Gleichzeitig steige der Ausstoß von Kohlendioxid weiter an, drastische Klimaveränderungen seien die Folge. Bei Holz und anderer Biomasse, so Ruwisch, handele es sich dagegen in dieser Beziehung um „neutrale Ressourcen“.

Für die Umstellung der Energieversorgung sprechen aber auch ökonomische Gründe. Seien die Anfangsinvestitionen erst einmal abgeschrieben, blieben die Energiepreise auf lange Sicht stabil, rechnet Ruwisch vor. Anstatt an die großen Energiekonzerne, fließe das Geld in die Region. In der Land- und Forstwirtschaft, beim Handwerk und in der Biogasanlage selbst könnten neue Arbeitsplätze entstehen. Vielleicht auch in der Gastronomie: In den vergangenen Monaten informierten sich unter anderem eine Experten-Delegation aus Japan und ein kanadisches Fernsehteam über das Bio-Projekt.

Eckhard Fangmeier, der das Projekt mit angeschoben hat, träumt derweil schon vom Aufbau eines „Kompetenzzentrums Bioenergie“ mit angeschlossener Tagungsstätte. „Wir wollen ein richtiges Modelldorf werden“, sagt er.