… DIE STADTTAUBE?
: Edlen Unterschlupf finden

Die Schickimickisierung der Stadt schreitet voran – und das jetzt auch speziesübergreifend. Nach erfolgreichen Taubenhaus-Projekten am Stadtrand in Reinickendorf und später in Kreuzberg finden hiesige Haustauben fortan Unterschlupf an zentralster Lage – auf dem Dach eines der Hochhäuser am Potsdamer Platz. Die Vögel sollen sich dort wohlfühlen, entspannen – aber sich möglichst nicht fortpflanzen.

Thomas Schmalfuß, Geschäftsführer der Potsdamer Platz Management GmbH und Initiator des Taubenhauses, spricht von Venedigs Taubenplage auf dem weltberühmten Markusplatz, bevor er auf Kosten und Nutzen seines Projekts zu sprechen kommt. Barocke, von Mehrsalz und Taubenkot verformte Fassaden und Simse gehören zwar nicht zu den Stärken des Potsdamer Platzes. Aber Thomas Schmalfuß ist überzeugt, dass sich die internationale Bedeutung eines Platzes auch anhand der Präsenz von Tauben messen lässt.

Daran gemessen ist der Potsdamer Platz eher eine drittklassige Provinzadresse. Der Berliner Naturschutzbund Nabu schätzt die Taubenpopulation hier auf etwa 200. Und selbst die nerven viele Touristen und Anwohner (ja, die gibt es dort!) noch genug. Deswegen hat Schmalfuß am Donnerstag ein Taubenhaus eröffnet. Tauben-Hotel träfe es besser. In dem acht Meter breiten Polyeder aus Stahl finden bis zu 68 Tauben Platz zum Nisten und Futtern. Aufgetragen wird ein Mehrkornmix aus Mais und Hafer, dazu gibt es mindestens alle zwei Tage frisches Wasser. Einige Nistplätze sind mit Stroh gepolstert, aber auch hier gilt: der Kunde ist König. Natürlich können die Tauben eigene Materialien anschleppen. 100.000 Euro hat sich Schmalfuß’ Chef diese Aktion kosten lassen, die jährlichen Betriebskosten betragen 25.000 bis 30.000 Euro.

So soll die Zahl der Tauben noch ein bisschen weiter gesenkt und der Platz sauber gehalten werden werden. Denn „man mag es glauben oder nicht“, so Ines Krüger, Vorsitzende des Berliner Tierschutzvereins, „Tauben sind sensible und intelligente Tiere“. Nur unter Überlebensdruck würden die Tiere versuchen, sich so schnell wie möglich zu vermehren – es geht um eine breite Streuung ihrer Gene. Entfällt diese Angst, etwa durch eine schicke Unterkunft und ordentliche Verpflegung, so die Annahme, lassen es die Tauben sexuell entspannter angehen. Und sollten doch Eier gelegt werden, würden diese durch Gipsattrappen ausgetauscht. Archaische Methoden wie Vergiften, Pfählen oder Abknallen der früher gerne als „Ratten der Lüfte“ bezeichneten Viecher gehören damit der Vergangenheit an. Ein zivilisatorischer Fortschritt, der auch die Tierschützer freut.

Wirklich teuer sei das Edelhotel nicht, sagt Schmalfuß. Denn die Betriebskosten entsprächen grob den Kosten, die jedes Jahr für die Reinigung des Platzes und vor allem der dortigen Gebäude anfielen.

Schmalfuß wünscht sich, dass auch andere Besitzer von Vorzeigeimmobilien – etwa die Deutsche Bahn mit ihrem Hauptbahnhof – den Tauben entgegenkommen. jk Foto: Vincent Mosch