Großer Abschluss

Hélène Grimauld begeisterte ihr Publikum zum Abschluss des Bremer Musikfestes – eine Bilanz

Bremen taz ■ Mit einem großartigen ausverkauften Konzert ging am Sonnabend das 16. Bremer Musikfest zu Ende, auf das Intendant Thomas Albert und Geschäftsführer Jörn Entholt berechtigterweise mit Stolz blicken: Die „Auslastung“ wurde um 10 Prozent gegenüber der Erwartung von 75 Prozent verbessert, eine weitere Steigerung gegenüber 2004. Neue Spielstätten wurden erschlossen, am wichtigsten das BLG Forum in der Überseestadt. Ein alter Lagerraum, von dessen Akustik der Dirigent Marc Minkowski zu Recht ganz begeistert war und der sich sicher in Zukunft noch ganz anders nutzen lässt.

Nicht alle Konzerte waren gut, darüber kann auch ein so sensationelles Ereignis wie die Salzburger Aufführung der frühen Mozartoper „Mitridate“ oder auch dieses letzte Konzert mit der französischen Pianistin Hélène Grimaud nicht hinwegtäuschen. Riccardo Muti war mit der Wiedergabe der neunten Sinfonie von Franz Schubert gruselig fehl am Platz, auch wenn das Philharmonia Orchestra mit einer hinreißenden Homogenität aufwartete. Barbara Hendricks hat ihren einstmals bewunderten Zenit erschreckend überschritten und Beethovens Neunte durch die Deutsche Kammerphilharmonie befand sich noch im Vorstadium der Vorzeigbarkeit. Die Konzerte von Goran Bregovic litten unter gründlich misslungenen Aussteuerungen. Vom Gesamtkonzept her verfolgt Albert weiter der Blick in andere Musikkulturen.

Die drei Aufführungen von „Mitridate, Re di Ponto“, die Oper des vierzehnjährigen Mozart, schlug in der Inszenierung von Günter Krämer und der musikalischen Leitung von Marc Minkowski alles, was an diesem Musikfest zu hören war, so groß war das Werk, so groß waren die solistischen Leistungen und so groß klangen die „Musiciens du Louvre“. Bemerkenswert dann noch die Wiedergabe der letzten Sinfonien Mozarts ebenfalls durch Minkowski, die Atemlosigkeit bewirkende Wiedergabe der Werke von Marc Charpentier durch „Le Concert Spirituel“ unter der Leitung von Hervé Niquet. Zartestes Bläservergnügen bot das Ensemble Zefiro und virtuosen Barock das Cappricio Stravagante.

Zu Recht Riesenbeifall beim Schlusskonzert: Die 1969 geborene Hélène Grimaud ist eine einzigartige Begabung und dabei so ganz anders – unvergesslich ihr Ravel-Konzert vor zwei Jahren mit der Deutschen Kammerphilharmonie. Dass für die Wolfsforscherin die Musik nicht das einzige im Leben ist, bekommt den Interpretationen bestens. Grimaud spielt mit einer ans Wunderbare grenzenden Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, dabei vollkommen unverkrampft und unangestrengt. Sie hat ja einmal sehr deutlich gesagt, dass verständnisloses Üben keinen Sinn macht. Robert Schumanns Klavierkonzert in a-Moll, das sie anstelle des angekündigten zweiten Brahms-Konzertes spielte, war bei ihr ununterbrochener Energiefluss mit einem berückenden Reichtum an Klangfarben. Das war für das einthematische Konzert eine bestechende Logik, die die Pianistin in fabelhafter Einheit mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR makellos in Szene setzte. Und wie gut die Proben gelaufen sein müssen, kann man vielleicht aus der herzlichen Umarmung mit Norrington erkennen, die dieser schon vor der Wiedergabe entgegennehmen konnte.

Kein Wunder; welches Renommé Roger Norrington inzwischen in aller Welt hat, hört man der vierten Sinfonie von Gustav Mahler an, Mahlers „Heiterkeit einer höheren, uns fremden Welt“. Norrington hat eine extreme Fähigkeit – der das Orchester, deren Chefdirigent er seit 1998 ist, bestens folgt –, Stimmungen und Atmosphären aufzusuchen und sie extrem auszukosten. Ja, sich dann auch ins Publikum umzudrehen und dieses über seine Mimik mitzulocken. Das finden nicht all witzig, er ist halt so. Die Sopranistin Anu Komsi sang bewegend das Kinderlied im letzten Satz, das alles „erklärt“.

Ute Schalz-Laurenze