berliner szenen Ausdruckstanz im Maria

Glücklich mit Vetter Itt

Bevor die Band kommt, läuft „Mongoloid“ von Devo. Ein Paar tanzt, mit Birkenstocks an den Füßen. Dann aber wird's live. Der Bass. Er knarzt und bollert. Drückt durch die Boxen. Eine Klangmauer vom Höchsten, aber den Bassisten sucht man umsonst. Da vorne steht eine Band aus England, die sich den Job einfach spart und sich dafür gleich zwei Keyboardtastenbediener zum Bassmachen leistet. Fetter, elektronisch zitternder, besser. Der rechte im gelben T-Shirt, mit Lockenmähne und Brille, zuckt in ergebenen Spasmen. Der linke trägt die Haare wie Vetter Itt von der Addams Family als Gardine vor dem Gesicht. Sänger Rupert Browne hängt in Liam-Gallagher-Manier am Mikrofon – Ellbogen zusammen, Arsch raus –, die Zunge quillt ihm jaggeresk aus dem halbgeöffneten Mund. Wenn er was sagt, in vollständig unverständlichem Cockney, wurschtelt er sich durch den Schopf, was gleichermaßen unbeholfen wie alkoholgeschädigt wirken soll. Aber wenn er singt, kommt das gut.

Chikinki aus Bristol erwecken ihr Berliner Label Kitty-Yo aus der Grabesruhe. Und sie schaffen es, mit endlich wieder gutem Rock'n'Roll-Elektroglam Sex in Dallas vergessen zu machen. Eine ungewohnte Maria stellen sie her: voll mit Jungs, die das Glück haben, in einer Zeit postzupubertieren, die von ihnen Sixties-Beat-Frisuren verlangt. Und voll mit Mädchen, die trotz ihrer gesträhnten Achtzigerschnitte zum Ausdruckstanz neigen. Die Raver haben sich brav ins Velodrom begeben und stören nicht mit ihrer mahlenden Unterkiefer-Unzufriedenheit ob der einen Gitarre auf der Bühne. Der den Auftritt nachbereitende DJ übersieht das und spielt plötzlich Clubsound. Die Tanzfläche wird leer, die Kloschlange lang.

KIRSTEN RIESSELMANN