piwik no script img

Tüftler, Pioniere und Patente

Wege aus der Krise: Vom erstaunlichen Erfindergeist vergangener Zeiten

Martin Luther war ein begeisterter Hobbybastler mit Sinn für Tüfteleien

Menschlicher Erfindungsgeist ist in der Lage, unüberwindlich erscheinende Schwierigkeiten zu meistern, enorme Kräfte zu zähmen und Techniken zu ersinnen, mit denen Geißeln der Menschheit mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden können. Viele der großen Erfinder vergangener Zeiten haben deshalb auch heute noch zu Recht ihren festen Platz im Gedächtnis der Menschheit. Doch es gibt auch Menschen, die mit ihren oft unscheinbaren Erfindungen die Welt nachhaltig veränderten und die heute nahezu vergessen sind. Diese wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken, ihres Erfindungsreichtums zu gedenken und ihren bahnbrechenden Erfindungen Tribut zu zollen, ist in Zeiten von Krisenstimmung und Reformstau Anliegen dieses Textes.

Während sich Christoph Kolumbus mit seiner Mannschaft in der All-inclusive-Clubanlage Guanahani-Palace auf Domrep von den Strapazen der Entdeckung Amerikas erholt und von blutjungen „Indianerinnen“ verwöhnen lässt, arbeitet der Göttinger Apotheker Gottlieb Straub fieberhaft an einem Ohne-Sonne-Bräunungsmittel. Am 12. Dezember 1492 erscholl dann endlich der erlösende Ruf: „Braun in Sicht!“ aus Straubs fensterlosem Laboratorium im Souterrain der Burggasse 8. Wie zeitgenössische Werbe-Holzschnitte belegen, spendete Gottlieb Brauns Original Hawai-braun fortan allen, die nicht wie Kolumbus in Urlaub fahren konnten, knackige Tropenbräune – auch in den finsteren Fachwerkhäusern Mitteleuropas.

Ein einzigartiges Beispiel für den Erfindungsreichtum auf dem Gebiet des Transportwesens liefern die Kiowa, ein Indianerstamm von fast pygmäenhaften Wuchs und einem Durchschnittsgewicht von 40 Kilo. Die Kiowa bevorzugen die Fortbewegung im Fluge: Dazu schleicht sich der wendige Krieger an den mächtigen Kaiseradler an und krallt sich, bevor dieser abheben kann, bei ihm ein. So entsteht, quasi im Vorübergehen, eine kostengünstige Frühform des Charterflugs. Durch Überladung wurden diese Könige der Lüfte jedoch oftmals zu einer Notlandung gezwungen und so zu einer leichten Beute für Löwen und Wölfe. Viele Zoologen sind heute der Ansicht, dass das Aussterben des nordamerikanischen Kaiseradlers in ursächlichem Zusammenhang mit der exzessiven Reisetätigkeit der Kiowa gesehen werden muss.

Für die meisten ist Martin Luther nur der große Reformator. Doch neben Bibelübersetzung und Zoff mit dem Papst ist der lebenslustige Eislebener ein begeisterter Hobbybastler. Seine zahlreichen Verpflichtungen lassen ihm jedoch kaum Zeit für Tüfteleien in seinem Hobbykeller. Berühmt sein Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg. Was aber den wenigsten bekannt sein dürfte, ist sein Thesenanschlag an der Kapelle auf der Wartburg. Der zerstreute Reformator hatte aber bei seinem zweiten Anschlagsversuch den Hammer vergessen! Zu einer Umkehr war es zu spät, also sann der findige Tüftler auf eine andere Befestigungstechnik. Mit dem Harz einer Fichte klebte er kurzerhand seine Thesen an die Tür der Burgkapelle. Zwar wurde das Thesenpapier am nächsten Morgen vom entrüsteten Küster entfernt und im Altpapierkorb entsorgt – aber die Welt war um eine Erfindung reicher: „Luthers Ächte Haftthesen“ werden zur Urform aller Haftnotizen. Post-its und alle anderen selbstklebenden und wieder ablösbaren Notizzettel gehen letztlich auf die bahnbrechende Erfindung des großen Reformators, der die Zettelwirtschaft revolutionierte, zurück.

Am 13. Mai 1933 gelingt es dem deutschen Drehstrom-Pionier Hugo Ermler erstmals, Kraft durch Freude zu gewinnen. Nach endlosen Versuchsreihen in seiner Landauer Werkstatt ist damit der Durchbruch zur alternativen Energieerzeugung geschafft. Da das Freudepotenzial der deutschen Volksgenossen durch Ermlers bahnbrechende Erfindung praktisch beliebig einsetzbar war, stand der deutschen Hausfrau mittels einfachster Freudekopplung stets kostenlose Alternativenergie zur Verfügung, die Hugo Ermler schon auf der Leipziger Messe 1934 mit dem ersten frohsinnsbetriebenen KdF-Rührstab eindrucksvoll demonstrieren konnte. Als die unerschöpflich scheinenden Quellen der deutschen Freude 1945 jedoch urplötzlich und ohne Vorwarnung versiegten, geriet Ermlers regenerative Energiegewinnung in Vergessenheit.

All diese Erfindungen sollten uns heute ein deutliches Beispiel davon geben, wie durch den intelligenten Einsatz auch bescheidener Mittel kreative Lösungen gefunden werden können. Der Weg aus der Krise mag beschwerlich sein – doch die selbstgewonnene Zukunft wird in umso leuchtenderen Farben erblühen.RÜDIGER KIND

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen