Anna Klöpper wundert sich über den inkonsequenten Umgang mit dem Neutralitätsgesetz
: Weder Fisch noch Fleisch

Eine Lehrerin an einer staatlichen Schule trägt einen Kreuzanhänger, für die SchülerInnen im Unterricht gut sichtbar. Es ist kein kleines Kreuz – jedenfalls ist es so groß, dass die Bildungsverwaltung mit Verweis auf das Berliner Neutralitätsgesetz entscheidet: Das Kreuz muss weg. Das war im April, der Fall wurde kurz vermeldet, dann war wieder Ruhe. Nun soll sich die Lehrerin allerdings laut einem Zeitungsbericht neuen Halsschmuck zugelegt haben – das Ichthys-Zeichen, ein frühchristliches Symbol für die Verbundenheit zu Jesus. Zwei gekrümmte Linien kreuzen sich zur Schwanzflosse eines Fischs.

Die Bildungsverwaltung bestätigte zwar nicht die Fischkette, teilte aber mit, „dass die Lehrkraft ein neues religiöses Symbol trägt“. Die Schulleitung sei nun mit ihr im Gespräch. Zuvor hatte eine Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bereits gesagt: „Wenn es ein religiöses Symbol ist, muss es abgenommen werden.“

Ist das nun eine Provokation, was diese Lehrerin macht? Ja, natürlich. Und sie kann das tun, weil Berlin noch immer keinen Umgang mit seinem Neutralitätsgesetz findet. Denn in der öffentlichen Verwaltung, also auch an allgemein bildenden staatlichen Schulen, ist das Tragen von religiösen und weltanschaulichen Symbolen seit 2005 untersagt. Das kollidiert nun regelmäßig mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – weil das Neutralitätsgesetz eben meist Musliminnen betrifft, die ihr Kopftuch dann nicht im Dienst tragen dürften. Zuletzt wurde einer Lehrerin vom Landesarbeitsgericht eine Entschädigung zugesprochen, weil ihr wegen ihres Kopftuchs keine Stelle als Grundschullehrerin angeboten wurde.

Die Bildungsverwaltung nahm das Urteil vergangene Woche zwar an, doch am Neutralitätsgesetz will man ebenfalls festhalten. Wie das gehen soll? Tja, schwierig. Gerade im Fall von Fischkettchen und Co. müssen weiterhin die Schulleitungen die unklare Rechtslage ausbaden: Was ist so dezent, dass es noch als Schmuck durchgeht, was ist religiöses Statement? Da ist das Neutralitätsgesetz nämlich nicht eindeutig. Wenn Senatorin Scheeres das Neutralitätsgesetz so wichtig ist, wie sie stets betont, hätte sie in Revision gehen müssen. Alles andere ist nicht Fisch noch Fleisch.