Seichte Streifenmit Subtönen

FILMREIHE Mit deutschem Geld produzierte die Firma Continental Film im besetzten Frankreich Dutzende Unterhaltungsfilme

Verworrene Handlung mit liebenswertem Humor: Richard Pottiers Kriminalkomödie „La ferme aux loups“ Foto: Zeughauskino

von Fabian Tietke

Sommer 1940: Am 16. Juni erobert die deutsche Wehrmacht Paris. Keine vier Monate später wird die Firma Continental Film gegründet. Nach französischem Recht gegründet und mit deutschem Geld finanziert, soll die Firma Filme machen. Am 14. August 1941 wird schließlich der erste von der Continental produzierte Film, „Premier rendez-vous“, uraufgeführt. In der Zeit bis zur Befreiung Frankreichs durch die Alliierten produzierte die Continental Film 30 Filme, ein Siebtel aller Filme, die unter der deutschen Besatzung entstanden. Die Filmhistoriker Ralph Eue und Frederik Lang präsentieren die Produktionen der Continental Film nun erstmals umfassend im Berliner Zeughauskino.

Der nationalistische, französische Filmhistoriker Robert Brasillach analysierte zeitgenössisch die Pläne, die der Gründung der Continental Film zugrunde lagen. Brasillach listete die folgenden Ziele auf: „1. die Kontrolle über das wichtigste Propagandainstrument in Frankreich zu gewinnen; 2. aus dem Ansehen des französischen Films für die eigene Auslandspropaganda Vorteile zu ziehen; 3. sich künftig die finanziellen Gewinne […] zu sichern.“ Brasillachs Analyse ist ziemlich treffend – bis auf den Punkt mit der Propaganda.

Interessanterweise setzten die Leiter der Continental Film nämlich vor allem auf Unterhaltungsfilme und verpflichteten einige der interessantesten französischen Regisseure der Zeit. So finden sich unter den Continental-Filmen die ersten beiden Regiearbeiten von Henri-Georges Clouzot. Dem Debüt mit dem Kriminalfilm „L’assassin habite au 21“ (Der Mörder wohnt in Nummer 21), der sich an W. S. van Dykes „The Thin Man“ orientierte, folgte der düstere „Le corbeau“ (Der Rabe): anonyme Briefe vergiften die Gemeinschaft einer Kleinstadt. Clouzot inszeniert den schleichend um sich greifenden Verdacht aller gegen alle. Die Filme Clouzots gehören zu den künstlerisch anspruchsvollsten Filmen, die Continental Film produzierte. Das finanziell ambitionierteste Projekt war jedoch die Monumentalverfilmung des Lebens von Hector Berlioz unter der Regie von Christian-Jacques („La Symphonie fantastique“) – ein Film mit der Lebendigkeit eines pompösen Denkmals.

Schon kurz nach „Premier rendez-vous“ entstand Christian-Jacques „L’assassinat du Père Noël“ (Der Mord am Weihnachtsmann), ein schwer zu verortender Streifen, der zwischen Krimi, Märchenfilm und Film noir changiert: Als während der Weihnachtsmesse ein wertvoller Ring gestohlen wird, gerät zunächst der örtliche Globenmacher, der alljährlich den Père Noël verkörpert, unter Verdacht. Als der Film – absurderweise im Oktober – gestartet wurde, besprach der französische Faschist Lucien Rebatet den Film gleich zweimal. Anders als die meisten seiner Kritikerkollegen nutzte Rebatet die Besprechung vor allem, um die Schauspielleistung Harry Baurs zu kritisieren, der den Globenmacher verkörpert. Der Furor des offenen Antisemiten Rebatet ist unschwer damit in Verbindung zu bringen, dass just zu jener Zeit Gerüchte aufkamen, Baur sei Jude. Gerüchte, die ein halbes Jahr später zur Verhaftung von Baur und seiner Frau führten. Er starb am 8. April 1943 an den Folgen seiner Haft.

1941 wird mit „Pre­mier rendez-vous“ der erste Continental Film uraufgeführt

Nicht das einzige Beispiel für den zeitgenössischen Antisemitismus: Nach einer Vorlage Simenons drehte Henri Ducoin 1941 „Les inconnus dans la maison“ (dt. Titel „Das unheimliche Haus). Decoin und Drehbuchautor Clouzot sparten in ihrer Verfilmung auch die antisemitischen Subtöne der Vorlage nicht aus (diese sind nach dem Krieg aus der französischen Fassung entfernt worden und sind nur in der zeitgenössischen deutschen Synchronfassung überliefert, ein Vergleich der Fassungen ist am 19. 5. möglich).

Üblicher waren jedoch launige Kriminalkomödien: So verlagert Kriminalfilmgroßmeister Maurice Tourneur die Tonlage seiner Simenon-Verfilmung „Cécile est morte“ ins Launige, behält jedoch das geschickte Spiel mit Licht und Schatten bei, das schon frühere Filme Tourneurs prägte. Ähnlich verfährt Richard Pottier, der neben der Simenon-Verfilmung „Picpus“ für die Continental Film auch die Kriminalkomödie „La ferme aux loups“ drehte. Zwei Reporter und ihrer beider Liebschaft geraten durch Zufall mitten in einen verworrenen Kriminalfall hinein. So wenig überzeugend die Kriminalhandlung gerät, so liebenswert sind die komödiantischen Elemente des Films. Die zeitgenössische französische Filmkritik war begeistert.

Filme für das besetzte Frankreich: Zeughauskino, Unter den Linden 2, 10. 5. bis 15. 6., www.dhm.de/zeughauskino