Sieben Männer im Zentrum der Macht

PARTEITAG I Xi Jinping hat es an die Spitze Chinas geschafft. Neue Ideen über die Zukunft sind nicht zu hören

■ In seiner Rede am Donnerstag erklärte der der neue KP-Chef Xi Jinping: „Es sind auch viele dringende Probleme im Innern der Partei zu lösen, insbesondere die Korruption, die Entfremdung von der Bevölkerung, Formalismus und Bürokratie bei bestimmten Kadern.“

■ Gleichzeitig betonte er: „Wir arbeiten daran, dass die Partei konstant der feste Führungskern des chinesischen Sozialismus bleibt.“

■ Die rund 2.200 Delegierten hatten zuvor das neue Zentralkomitee mit 205 Mitgliedern abgesegnet, das wiederum seine Zustimmung zur Besetzung der Posten im Politbüro geben musste. Dessen innerer Führungszirkel ist der siebenköpfige Ständige Ausschuss des Politbüros. Eine Frau hat es wieder nicht in den innersten Kreis geschafft.

■ Der bisherige KP-Chef Hu Jintao gab auch seinen Posten als Chef der Militärkommission an Xi ab. Bei der kommenden Sitzung des Nationalen Volkskongresses im März wird Xi voraussichtlich Staatspräsident. Premier Wen Jiabao, der jetzt seinen Sitz im Ständigen Ausschuss des Politbüros aufgab, soll dann sein Regierungsamt an Li Keqiang übergeben. (li)

AUS PEKING FELIX LEE

Er hat sich über Jahre hinweg politisch zurückgehalten, wollte bloß nicht negativ auffallen, hat in alle Richtungen genetzwerkt – ohne sich auf eine Fraktion festzulegen. Nun hat er es geschafft: Xi Jinping ist seit Donnerstag Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und damit Chef der größten politischen Organisation der Welt. Zugleich wurde er auch zum Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee gekürt. Die Übernahme des Amts als Staatsoberhaupt im März ist nur noch Formsache. Der in China nur einmal in zehn Jahren vorgesehene Führungswechsel ist damit vollzogen.

Angeblich bis zum Schluss hatte die Parteispitze auf dem 18. Parteitag darum gerungen, wer neben Xi im siebenköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros sitzen wird, im zentralem Machtorgan der Volksrepublik. Die Öffentlichkeit durfte jedenfalls wieder einmal nichts davon erfahren, wer in diesen Personalfragen das letzte Wort hatte.

Dass Li Keqiang (57), der als einziger Politiker neben Xi bereits im vorigen Ständigen Ausschuss saß, zweiter Mann und damit auch künftiger Premierminister werden würde, schien sicher. Aber wer auf die anderen fünf Posten gehievt werden würde, blieb bis zum Schluss geheim. Als dann kurz vor 12 Uhr mittags Chinas neue Top 7 einen Nebensaal in der Großen Halle des Volkes betrat, ging denn auch ein Raunen durch den Saal. Viele der rund 2.000 anwesenden chinesischen und ausländischen Journalisten waren überrascht.

Denn anders als viele gehofft hatten, rücken zwei Hardliner in den Ständigen Ausschuss auf. Da ist zum einen Zhang Dejiang: Der 65-Jährige hat in Nordkorea studiert und gilt als ein Anhänger eines rigiden Staates. Nach dem Skandal um den Politstar Bo Xilai wurde Zhang beauftragt, mit der Korruption in der 30-Millionenstadt Chongqing aufzuräumen. Das hat er auch getan – angeblich mit besonders großer Härte.

Zum anderen rückt Liu Yunshan (65) vor, ebenfalls ein Erzkonservativer. Er war fast zehn Jahre Minister für Propaganda und ist unter anderem verantwortlich für die „Große Firewall“, ein Filtersystem im chinesischen Internet, das politisch missliebige Informationen sperrt und auch den freien Zugang in soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder YouTube in China nicht zulässt. Es ist zu befürchten, dass sich die Zensur im Netz mit Liu im höchsten Gremium noch mehr verschärfen wird.

Nicht in den mächtigen Ständigen Ausschuss schaffte es hingegen der große Hoffnungsträger des Reformflügels, Wang Yang, bislang Parteichef der ökonomisch am meisten entwickelten Provinz Guangdong. Als vor einem Jahr in der Gemeinde Wukang Proteste gegen korrupte Beamte ausbrachen, ließ er in dem Ort demokratische Wahlen zu. Das brachte im in Peking jedoch jede Menge Kritik ein.

Weniger umstritten ist Zhang Gaoli (65), der als Parteichef der Hafenstadt Tianjin Fürsprecher einer Finanzmarkt- und Wirtschaftsliberalisierung sein soll und daher zum Lager der Reformer gezählt wird. Ebenfalls geschafft hat es Pekings ehemaliger Bürgermeister Wang Qishan (64), auch er ein erfahrener Ökonom. Er hatte schon die China Construction Bank geleitet, inzwischen eine der größten Banken der Welt. Sowohl Zhang als auch Gao sollen die drängenden wirtschaftlichen Probleme anpacken. Sie sind wohl ein Gegengewicht zu den beiden Hardlinern Zhang und Liu.

Der Wechsel zu Xi stellt erst die zweite geordnete Machtübergabe in der Geschichte der Volksrepublik dar

Das siebte Mitglied, Yu Zhengsheng, Parteichef von Schanghai, gilt eher als Reformer. Der 67-Jährige steht jedoch unter den Fittichen von Exgeneralsekretär Jiang Zemin, der bis heute die Fäden zieht und an der Zusammenstellung der neuen Führungsriege großen Anteil haben dürfte. Auch Jiang ist ein politischer Hardliner.

Der neue Parteichef hält sich am Tag seines Antritts weiter politisch bedeckt. Er prangert – wie schon sein Vorgänger Hu Jintao bei seiner Abschiedsrede letzte Woche – die Korruption in den eigenen Reihen an. In solchen Fällen werde die Regierung künftig „hart durchgreifen“, verkündete auch Xi. Ansonsten hält er sich zurück und preist in seiner Ansprache die Errungenschaften der Kommunistischen Partei an.

Der Wechsel zu Xi stellt erst die zweite geordnete Machtübergabe in der Geschichte der Volksrepublik dar. Alle anderen Wechsel erfolgten durch Tod oder brutale Absetzung.

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