Israelische Offensive gegen Hamas

Nach dem Beschuss mit Kassam-Raketen auf Ortschaften in Israel greift die Luftwaffe Stellungen im Gaza-Streifen an. Teilnehmer von parallelen Friedensdemonstrationen in Jerusalem und Ramallah fordern sofortige Verhandlungen

AUS JERUSALEM MAURICE TSZORF

Zum ersten Mal seit dem israelischen Abzug aus dem Gaza-Streifen hat die israelische Luftwaffe dort am Samstagmorgen Angriffe geflogen. Ziel waren angebliche Stützpunkte der radikal-islamischen Organisation Hamas und anderer militanter palästinensischer Gruppen im nördlichen Gaza-Streifen. Dabei wurden über zwanzig Palästinenser verletzt.

Der israelische Militärschlag erfolgte als Reaktion auf den bisher schwersten Raketenangriff der Hamas auf Israel. Über 35 Kassam-Raketen wurden aus dem Gaza-Streifen heraus auf die Stadt Sderot und andere Ortschaften abgefeuert. Sechs Israelis wurden verletzt.

Das israelische Sicherheitskabinett beschloss, hart zu reagieren und „den Bereich zu säubern, aus dem die Raketen abgeschossen werden“. Während General Israel Ziv vom israelischen Generalstab den Einsatz von Bodentruppen innerhalb des Gaza-Streifens für möglich hielt, schloss Premierminister Ariel Scharon eine solche Aktion mit den Worten aus, Israel habe „Gaza nicht verlassen, um wieder dorthin zurückzukehren“.

Außerdem nahm die israelische Armee am Wochenende in verschiedenen Städten des Westjordanlandes über 200 Mitglieder der Hamas und des Islamischen Dschihad fest. Aus Furcht vor terroristischen Vergeltungsschlägen riegelte Israel die palästinensischen Gebiete ab.

Die Eskalation verlief in zwei Phasen. Der erste Raketenangriff auf Israel war am Freitag durch Angehörige des Islamischen Dschihad als Vergeltung für die Tötung dreier ihrer Angehörigen durch israelische Truppen in der Stadt Tulkarm im Westjordanland erfolgt. Die Situation geriet außer Kontrolle, als während einer Hamas-Parade im Flüchtlingslager Dschabalija im Norden des Gaza-Streifens ein mit scharfen Kassam-Raketen beladener Lastwagen explodierte. Dabei kamen 17 Teilnehmer, darunter zwei Kinder, ums Leben. 80 Menschen wurden verletzt.

Hamas beschuldigte sofort Israel, die Parade aus der Luft beschossen zu haben. Israel wies dies zurück. Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sagte gestern in Ramallah, die Explosion sei durch einen Unfall ausgelöst worden. Sie sei „kein israelischer Luftangriff“ gewesen.

Der Vorfall und seine Folgen heizten die zwischen Hamas und der palästinensischen Führung bestehenden Spannungen weiter an. Zwar gab es auf offizieller Seite keine Verurteilung der Raketenangriffe auf Israel. Die palästinensische Führung nutzte jedoch den Unfall in Dschalabija, um Hamas zu verurteilen. Abbas wandte sich gegen „die Nachlässigkeit jener, die Waffen mitten unter die Zivilbevölkerung“ bringen. Daraufhin bezeichnete der Hamas-Führer in Gaza, Mahmud A-Sahar, die Autonomiebehörde als „Advokaten des Teufels“ (Israel). Der palästinensische Minister Kadura Fares sagte jedoch, Hamas wünsche die „Wahrung des Waffenstillstands“ und würde „nur auf israelische Aggressionen reagieren“.

Sowohl die PLO von Abbas als auch Hamas sind angesichts der anstehenden Wahlen an einer Beruhigung der Lage interessiert. Zeitgleich mit den Ereignissen in Gaza fanden in Jerusalem und Ramallah parallele Friedensdemonstrationen statt. Teilnehmer beider Seiten betonten, dem Abzug aus Gaza dürfe kein gefährliches Vakuum folgen. Daher müssten sofort Verhandlungen aufgenommen werden.