LESERINNENBRIEFE
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die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitungDie Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Besen von Manufactum

betr.: „Azubis sind wie weggeputzt“, taz vom 4. 5. 17

das ist ja alles ganz furchtbar!!! müssen die schlipsträger bald die glasfassaden ihrer bürotürme selbst putzen? und geschäftsführer schülzky muss die briefe und rechnungen selbst schreiben? und was ist „über“ tarif? 8,90? 10,50? scheißarbeit, die scheiße bezahlt wird. komisch, warum das keiner machen will. und wie sehen eigentlich sehr gute karrieremöglichkeiten bei einer gebäudereinigerin aus? ein putzwagen mit blinkrollen? vergoldete handgriffe der spezialwerkzeuge? besen von manufactum? da werd ich schwach …BORIS KRUMM, Hopfgarten

Ansprechende Wohngegenden

betr.: „Eine neue Platte“, taz vom 8./9. 5. 17

Bezugnehmend auf Ihren Artikel anlässlich der IGA-Eröffnung möchte ich meine andauernde Empörung zum Ausdruck bringen. Wie können die Redakteure diesen Teil Berlins als „einstige Vorstadthölle“ bezeichnen? Wie oft haben Sie diesen großen Stadtbezirk besucht und mit den dort lebenden Menschen gesprochen? Der Bezirk mit seinen grünen Siedlungsgebieten, mit den vielen kleinen und großen Grünanlagen in den Neubaugebieten, mit den sanierten Häusern ist alles andere als schrecklich und ich vermisse eine Richtigstellung.

Wir haben Dauerkarten erworben und auf der IGA schon viele Menschen aus anderen Teilen Deutschlands gesprochen, die angesichts der schlechten Imagekampagne sehr erstaunt waren über die ansprechenden Wohngegenden. Ich bitte Sie sehr, in den kommenden Wochen positiver vor allem über die IGA zu berichten, die mittlerweile ein wirkliches Blumenmeer geworden ist und stärkere mediale Aufmerksamkeit verdient hat. Zum Beispiel könnte beworben werden, dass am 13. Mai zwei Personen zum Preis von einer das Gelände besuchen können. Eine tägliche kleine Kolumne könnte dieser für Berlin bedeutsamen Veranstaltung den gebotenen Platz einräumen. REGINE WINTER, Berlin

Ein anderer Ort des Lernens

betr.: „Das ist gewolltes Chaos“, taz.de vom 11. 5. 17

Vom Tagesspiegel über die Gewerkschafszeitung E§W bis zur taz, niemand scheint um den Film über die selbstverwaltete „Schule für Erwachsenenbildung (SFE)“ herumzukommen. Und in der Tat ist es eine beachtliche Leistung der SFE, 40 Jahre lang durchgehalten zu haben, jungen Leuten, die aus was auch immer für Gründen mit der traditionellen Schule abgeschlossen haben, einen anderen Ort des Lernens zu bieten und ihnen eine Chance auf das Erreichen des Abiturs zu bieten. Das kann eigentlich gar nicht stark genug gewürdigt werden.

Einige Anmerkungen seien aber dennoch erlaubt. Die Artikel in den Zeitungen legen durchweg nahe, dass die SFE die einzige derartige Einrichtung ist. Das stimmt – zum Glück – nicht ganz. Mir liegt ein Buch aus dem Herder Verlag vor (Alia Ciobanu: „Revolution im Klassenzimmer – wenn Schüler eine eigene Schule gründen“, 2012), in dem Ähnliches auch aus Freiburg berichtet wird: Oberstufenschüler einer weiterführenden Schule steigen nach Auseinandersetzungen mit dieser aus und gründen eine eigene „Schule“ zur Abiturvorbereitung, indem sie sich Räume fürs Lernen suchen und Lehrer als Dienstleister für sich anstellen. Mit dem erfolgreichen Abschluss haben sie nicht nur das Abitur in der Tasche, sondern auch gezeigt, dass sie ein solches selbstverwaltetes Vorhaben „durchziehen“ können – eine Lernerfahrung, die vermutlich für das künftige Leben und den Beruf noch entscheidender als das Abitur sein dürfte.

Eines allerdings sind beide Einrichtungen nicht angegangen, die Kritik an den entsprechenden Prüfungen überhaupt. Noch wichtiger, als zu zeigen, dass man sich selbst organisiert auf eine staatliche Prüfung vorbereiten kann, wäre es, das Ritual und die dort geforderten Inhalte an sich infrage zu stellen. In einem schon einige Jahre zurückliegenden und leider nicht mehr existenten Schulversuch (Die Stadt-als-Schule Berlin) war es mir vergönnt, in einem (staatlichen!) Modell radikal mit den Stan­dard­inhalten von Schule und Prüfungen zu brechen und ganz stark von den Eigeninteressen der Schüler auszugehen. Schüler, die bei uns erfolgreich die Klasse 10 beendet hatten, hatten zwar nicht die traditionellen Abschlusszeugnisse, aber sie sind anschließend interessante und erfolgreiche Lebenswege gegangen und haben teilweise sogar erfolgreich die Universität durchlaufen. Wenn der Film auch in diesem radikalen Sinne zum Nachdenken über Schule anregt, dann fände ich das wunderbar. Denn man kann nur immer wieder den Kopf schütteln, welche Lebenszeit junge Leute in der Vorbereitung auf (totes) Prüfungswissen vertun, ehe sie ihren Interessen und Fähigkeiten entsprechend lernen und arbeiten können. HARTMUT GLÄNZEL, Berlin