Verhunzte Chance zur Debatte

GLEICHSTELLUNG Die Frage, warum Frauen an Unis immer noch benachteiligt sind, könnte eigentlich zu einer munteren Debatte führen. Aber dafür muss man mehr tun als die TU bei ihrer Gesprächsrunde

Die Moderatorin schmiss Begriffe in die Runde wie Maßnahmen und Effektivität und kombinierte sie

Lag es am Thema oder an der Verpackung? „Alma Pater – 20 Jahre Gleichstellung an deutschen Hochschulen“ nannte die Technische Universität (TU) am Donnerstagabend eine Gesprächsrunde, die sich den immer noch bestehenden Geschlechterdiskriminierungen im akademischen Umfeld widmen sollte.

Zu dem Thema gibt es jede Menge zu sagen, man muss es nur anständig verkaufen. Um 17 Uhr sollte es losgehen, 17.10 Uhr war der Hörsaal noch fast gähnend leer. Eine Studentin blätterte in einer Dessouszeitschrift. Gegen 17.20 Uhr kamen ein paar Frauen und wenige Männer. Man kannte sich, es waren Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, es schien, als feierten sie eine Art kleines Klassentreffen. Der Hörsaal blieb mager gefüllt.

Die Moderatorin des Abends, Angela Ittel, Professorin am Institut für Erziehungswissenschaft, war, wie sie offenherzig kundtat, von den OrganisatorInnen vorab gebrieft worden, dem Podium Anekdoten zu entlocken. Und das gab sich Mühe. Birgit Dahlke zum Beispiel, Germanistin und Professorin an der Humboldt-Uni, erzählte, wie sie kurz nach der Wende zu einer Veranstaltung in die Rostlaube der Freien Universität kam und ihren Mann und ihre beiden damals noch kleinen Kinder mitbrachte. Für sie war das normal, Birgit Dahlke kommt aus dem Osten. Aber für die WestkollegInnen war der familiäre Anhang im Uni-Betrieb ungewöhnlich, sie wunderten sich. Und darüber wunderte sich Dahlke.

Christian Thomsen, Professor am Institut für Festkörperphysik, griff hilfesuchend nach der internationalen Ebene und brachte die USA ins Gespräch. Dort, sagte er, sei ein Frauenanteil von 50 Prozent in allen Fachbereichen normal. Kommissionen so wie hier in Deutschland, die dafür sorgten, dass mehr Frauen in den Mittelbau und an die Spitze gelangten, hätten die Staaten nicht nötig. Womit hat das zu tun? „Mit einem Kulturunterschied“, sagte Uschi Baaken, Psychologin und Gleichstellungsbeauftragte der Uni Bielefeld: „Das macht automatisch eine bessere Atmosphäre.“ Amerika ist also Women’s Wonderland.

Die Moderatorin fragte weiter, wie das auch in Deutschland zu schaffen sei. Sie schmiss Begriffe in die Runde wie Maßnahmen und Effektivität und kombinierte sie zu Wörterkolonnen. Aber das Podium gähnte nicht, es antwortete brav. Nach vierzig Minuten öffnete Ittel die Runde für Fragen aus dem Publikum.

Und die Moral von der Geschichte? Präsentiere ein so wichtiges Thema nie wieder so dröge. Sonst hat es tatsächlich bald keine Lobby mehr. Genderfragen haben es ohnehin schon schwer genug.

SIMONE SCHMOLLACK