Eine kleine Winterreise

KAMMERMUSIK Poppy Ackroyd könnte ihren Flügel auch ganz regelgemäß spielen. Macht die ausgebildete Instrumentalistin aber nicht – sondern lieber umso interessantere Musik zwischen Konservatorium und fragiler Elektronik. Am Montagabend präsentiert sie ihr Debütalbum „Escapement“ im Westwerk

VON ALEXANDER DIEHL

Wenn’s nicht so ein Klischee wäre – man spräche wohl allzu rasch davon, wie winterlich sie sei, diese Musik. In all ihrer Zart- und Sprödheit, ja: darin Eis durchaus ähnlicher Kühle und Zerbrechlichkeit. Jedoch hat sie Besseres verdient, diese Musik.

Und ebenso die, die sie hervorbringt: Poppy Ackroyd, klassisch ausgebildet an Geige und Klavier; irgendwo war zu lesen, dass die gebürtige Londonerin, wenn’s nach ihren Eltern ginge, in irgendeinem rennomierten Orchestergraben wirkte. Ob es also mit einer Flucht zu tun hat, englisch „escape“, wenn sie stattdessen diese fragil-schöne Musik spielt – und das demnächst erscheinende Debütalbum „Escapement“ obendrein heißt?

Ein wenig erinnert’s an die Arbeiten des Düsseldorfer Exportschlagers Hauschka: Ein Flügel wird da gerne mal unkonventionell gespielt, unter Umgehung der Klaviatur zum Beispiel, die Saiten direkt zum Schwingen gebracht; dazu mal karger, mal schmeichelnder Streicherklang. Und ist das nicht, da ganz weit hinten, Elektronik?

Sehr schön ist das alles. Wie getupft scheinende Akkorde treiben dahin wie – Coffee-to-go-Pappbecher in brackigem Wasser. Denn bei aller Schönheit: Dass die Welt, die sie umgibt, eine andere ist als jene zu Zeiten Erik Saties, dass im Sich-Abwenden eben keine Flucht zu machen ist aus dieser Gegenwart: Auch darum scheint die Großstädterin und – mutmaßlich – Notebook-Userin Poppy Ackroyd zu wissen.

Dass sie nun im schmucken, viel zu lange nicht für derlei geöffneten Barraum des Westweks auftritt: Spätestens das sollte als Empfehlung reichen.

■ Mo, 19. 11., 20 Uhr, Westwerk, Admiralitätstraße 74