LeserInnenbriefe
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Wer braucht diese Kosmetika?

betr.: „Cremes machen wir einfach selbst – und sie sind essbar“, taz vom 22. 4. 17

Guten Tag, taz. Meine Frage zu eurem Artikel zur Naturkosmetik und deren CO2-Abdruck: Wer braucht das ganze Creme-Geschmiere? Ein Lebensmittelöl tut es doch auch. Und für Farbe: ein Kajal, ein bis zwei Lippenstifte – Punkt. 90 Prozent aller Kosmetika sind überflüssig und könnten abgeschafft werden. Suffizienz macht glücklich, Konsum verstopft (frei nach Niko Paech). Und ohne Kühlschrank wären die meisten Haushalte, vor allem die 35 Prozent der Singlehaushalte, auch glücklicher. In bestimmten Mietshäusern könnten Kühlschränke für eine gemeinsame Benutzung im Flur stehen.

ANNETTE WEBER, Heusenstamm

Internationalismus fehlt der SPD

betr.: „Es gibt ein Recht auf Faulheit“, taz vom 22./23. 4. 17

Ich habe mich gefreut über diesen Text von Kersten Augustin. Wir müssten schon längst die 20-Stunden-Woche haben, wenn man die gestiegene Produktivität den Menschen zugute kommen ließe, und zwar weltweit. Das gilt auch, wenn man auf ökologisch schädliche Techniken verzichtet – und auf das Hamsterrad „Mehr arbeiten – mehr konsumieren“, das den Arbeitsfetisch antreibt beziehungsweise von ihm angetrieben wird. Otto Ullrich hat einmal gesagt, er fürchte nichts mehr als die unendliche Verfügbarkeit von Energie – dann würden die „Arbeitssüchtigen“ keinen Stein dieser Erde auf dem anderen lassen und den Planeten endgültig und noch schneller zugrunde richten.

Deshalb gehört zu dieser Argumentation natürlich auch dazu, den Konsumwahn anzugreifen – und unsere „imperiale Lebensweise“: Für unseren Konsum in den Industrieländern arbeiten inzwischen die Menschen in den Ländern des Südens mehr als „hart“ und müssen in einer ökologisch zerstörten Umwelt leben, um unsere billigen Textilien, IT-Geräte etc. herzustellen. Die Sozialdemokratie war einmal internationalistisch engagiert – Herr Schulz wäre gut beraten, deshalb auch diese Menschen in seine Sorge um die „hart Arbeitenden“ einzubeziehen, wenn er tatsächlich die Wurzeln seiner Partei wieder zur Geltung bringen will. WOLFGANG NEEF, Berlin

Straftaten gegen das Leben

betr.: „Wer vergewaltigt wurde, ist ein Opfer“, taz vom 18. 2. 17

Ich bin leider erst jetzt, per Zufall, auf diese Diskussion gestoßen und bin erschrocken über die geringe Reflexionstiefe. Das „Opfer“ ist auch ein spiritueller, religiöser Begriff und meint damit auch die Wiederherstellung einer wie auch immer gearteten Ordnung, nicht nur die Gabe an eine Gottheit, welcher Art auch immer.

Das „Opfer“ war im Nationalsozialismus eine bedeutende Begrifflichkeit, es wurde an die Opferbereitschaft der Bevölkerung in vielfacher Weise appelliert, um die nationalsozialistischen Ziele zu erreichen. Über diese skizzierte Komplexität nachzudenken, ist aus meiner Sicht in der Diskussion über die Bezeichnung von vergewaltigten oder geschlagenen Frauen sinnvoll. Nach meiner Erfahrung begreifen sich viele betroffene Frauen nicht als Opfer, lehnen den Begriff ab und empfinden ihn als zusätzliche Stigmatisierung. Zudem stört mich der Untertitel „Die Neuformulierung ‚Erlebende sexualisierter Gewalt‘ schmälert Sexualverbrechen“. Es wäre vielleicht besser gewesen, zu schreiben: „Die Neuformulierung schmälert Gewaltverbrechen.“ Ich weiß ohnehin nicht, aus welchem Grund der Abschnitt im Strafgesetzbuch „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ nicht komplett in den Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“ integriert wird. Aus meiner Sicht handelt es sich bei diesen Straftaten immer um Angriffe auf das Leben.

Ich finde, es wird keine weitere, auch keine alte Begrifflichkeit, gebraucht. Es sind vergewaltigte Frauen, geschlagene Frauen, malträtierte Frauen …Mir sagen Begrifflichkeiten wie Überlebende oder Geschädigte eher zu. Bitte geht kritisch und reflektiert mit dem Opferbegriff um. Das „Opfer“ ist in der deutschen Sprache ein geschlechtsloser Begriff und meint weder Frau noch Mann. DÖRTE MARTH, Hamburg

Der „Exganove“ ist Schriftsteller!

betr.: „Die Verwandlung des Hugo Cyrill Kulp Baruch“, taz vom 22. 4. 17

Ludwig Lugmeiers Essay ist exzellent geschrieben. Die Ankündigung auf Seite eins, Gestatten, Jack Bilbo“, in der Sie Lugmeier als „Exganoven“ betiteln, finde ich dagegen Bild-Zeitungsstil. Richtig ist, dass Lugmeier einen Geldtransport der Dresdner Bank überfiel, doch liegt das beinahe ein halbes Jahrhundert zurück. Dass er seit Jahrzehnten Schriftsteller ist, scheint Ihnen der Erwähnung nicht wert. Ich frage mich, warum? Lesen Sie zum Beispiel seinen Roman „Wo der Hund begraben ist“ (Stroemfeld Verlag). Vielleicht fällt es Ihnen dann leichter, Lugmeier als das anzusehen, was er ist: ein hervorragender Autor. ALF HANSEN, Werder

Einwanderer oder Ausländer

betr.: „Einfach den Döner fragen“, taz vom 20. 4. 17

Ich zitiere Klaus J. Bade aus einem Interview in den Erlanger Nachrichten: „Als Einwohner türkischer Herkunft konnte man so deutsch sein wie man wollte, das wurde immer andeutungsweise relativiert. Der Begriff Migrationshintergrund muss weg. Wir sollten, wie die Amerikaner, von Einwanderern oder Ausländern reden. Und eingebürgerte Einwanderer sind Deutsche.“ Damit ist alles gesagt. SIBYLLA NACHBAUER, Erlangen