Hochprozentiges aus Bremen

SCHNAPS Brennerin Birgitta Rust setzt sich als Nordlicht auf einem vom Süden bestimmten Markt durch

Die Heimat der Obstbrände liegt in Österreich, Südtirol, Bayern und Baden-Württemberg. In Norddeutschland sind Brennereien spärlich gesät. Die meisten fertigen zudem Korn, hochpreisige Edelschnäpse produzieren sie selten. Diese Marktnische hat die Bremerin Birgitta Rust für sich erschlossen. Seit knapp einem Jahr destilliert sie im hippen Quartier Überseestadt edelste Tropfen aus Mirabelle, Schlehe, Quitte oder Williamsbirne. Mit ihrem norddeutschen Produkt hat sie bereits mehrere Preise eingeheimst – und die süddeutsche Konkurrenz abgehängt.

Die Auszeichnungen seien für sie zum Türöffner für die gehobene Gastronomie, Weinhandlungen und Delikatessenläden geworden, sagt die 50-Jährige. Der Sommelier des Drei-Sterne-Restaurants „La vie“ in Osnabrück kam sogar selbst auf Rust zu, nachdem ihn Gäste auf die „piekfeinen Brände“ aus Bremen angesprochen hatten. Auf Skepsis sei sie bislang kaum gestoßen, sagt Rust. Die norddeutsche Gastronomie lege mehr und mehr Wert auf heimische Produkte.

Dennoch: Der Erfolg war keine Selbstverständlichkeit. Denn anders als viele süddeutsche Brenner kann Rust nicht auf eine lange Familientradition zurückblicken. Sie ist eine klassische Quereinsteigerin.„Ich war 20 Jahre Unternehmensberaterin, musste dann den Job aufgeben und bekam eine gute Abfindung“, erinnert sich die Betriebswirtin und Mutter zweier Kinder. Mit dem Geld in der Hand kam ihr die Idee, ihr privates Interesse an edlen Spirituosen beruflich umzusetzen.

Sie bewarb sich um einen Platz für eine zweijährige außerbetriebliche Ausbildung zur Brennerin in Franken – als einzige Norddeutsche. „Erst wollten die mich nicht nehmen“, erzählt Rust. Die Ausbildungsstätte wird finanziell durch den Freistaat Bayern unterstützt und wendet sich eigentlich ausschließlich an Betriebe der Region. Jemand aus Norddeutschland war nicht vorgesehen. „Man machte eine Ausnahme“, schmunzelt Rust. „Ich war der Exot in der Truppe.“

Und das nicht nur, weil sie kein bayerisch spricht, sondern auch, weil sie eine Frau ist. Die wenigen weiblichen Teilnehmer in ihrem Kurs waren in der Regel Ehefrauen von Brennern. „Die Branche ist eine reine Männerdomäne“, hat Rust festgestellt. Sie absolvierte Praktika bei renommierten Brennereien, büffelte Chemie, Brenntechnologie, Marketing und Sensorik und machte schließlich ihren Abschluss. Im November 2011 eröffnete sie ihre gläserne Manufaktur in Bremen.

Natürlich musste sie am Anfang auch Lehrgeld zahlen – mal lief aus Unachtsamkeit Hochprozentiges direkt in den Abfluss, mal spritzte Maische bis an die Decke, weil ein Schlauch nicht richtig installiert war. Doch die fertigen Produkte seien von Anfang an so hochwertig gewesen, wie sie sie haben wollte, erzählt Rust.

Denn dafür bedarf es keiner Hexerei. Wichtig sei zum einen die Qualität der Rohware wie Früchte und Nüsse. „Die Williamsbirne zum Beispiel muss so reif sein, dass ich sie zerdrücken kann“, sagt Rust. Zum anderen müsse die Gärung ständig kontrolliert werden. Mit feiner Nase und sensiblem Gaumen entscheide sie schließlich, wann das Produkt fertig ist. Rust ist vollauf vom zweimaligen Brennen überzeugt. „Davon wird der Brand milder“, sagt sie. Und zu guter Letzt verwertet sie nur das sogenannte „Herzstück“ – einen besonders hochwertigen Teil des Destillats.

Inzwischen will sie ihr Wissen auch an andere weitergeben. Sie bietet Brenn- und Sensorikseminare an. Auch erweitert sie ihr Sortiment und hat den „ersten hanseatischen“ Single Malt Whisky in Holzfässern angesetzt. 2015 ist er fertig. Die ersten Bestellungen sind schon eingegangen. (dapd)