Sanft im Abgang

FUSSBALLKULTUR Zum Fußball gehört Bier. Im Stadion wird sich das nicht so schnell ändern. Trotzdem hat der FC St. Pauli nun zwei gelungene Club-Weine auf den Markt gebracht

„Wenn wir einen Totenkopf auf dem Etikett hätten, würde den Wein keiner trinken“

STEPHANIE DÖRING, SOMMELIÈRE

VON KLAUS IRLER

Die Marketing-Leute der Biermarke Astra haben eine klare Vorstellung davon, worum es im Fußball geht. „Spielstand hier. Astra-Stand drüben“, haben sie auf die Anzeigetafel im Stadion des FC St. Pauli geschrieben. Die Botschaft: Spiel und Bier sind für den Stadionbesucher gleich wichtig. Das kommt in seinem Größenwahn ironisch daher, hat aber einen ernsten Hintergrund: Der Fußball boomt. Und deshalb stärkt die Holsten-Brauerei, die auch Astra herstellt, die Nähe von Bier und Fußball, wo sie nur kann.

Fußball und Bier gehören zusammen, und trotzdem hat der FC St. Pauli mal wieder einen Vorstoß unternommen, die Trinkkultur im Fußball zu erweitern. Zusammen mit dem Online-Weinshop und Videoblog Tvino hat der FC St. Pauli zwei trockene Club-Weine auf den Markt gebracht, einen roten und einen weißen. Sie heißen Jolly Blanc und Jolly Tinto – wobei Jolly anspielt auf den Jolly Roger, also die Piratenflagge, die der FC St. Pauli als Symbol okkupiert hat.

Im Millerntorstadion werden die beiden Weine nur in den VIP-Bereichen ausgeschenkt, also in den Ballsälen und Separees, in denen es gute Plätze auf den an Unternehmen vermieteten Business-Seats gibt und an Spieltagen Buffet für die Gäste. Der Ausschank im restlichen Stadion sei aufgrund einer Vorgabe der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nicht möglich, sagt ein Sprecher des FC-St.-Pauli-Marketings. „Im restlichen Stadion erlaubt die DFL nur Getränke, die höchstens so viel Alkohol haben wie Bier.“

Auf die Idee mit dem Club-Wein sei der FC St. Pauli gekommen, „weil es in den VIP-Bereichen eine verstärkte Nachfrage nach Wein“ gegeben habe. Für die Aufgabe, einen Fußball-Wein zu kreieren, holte der Verein dann das Hawesko-Unternehmen Tvino und deren Sommelière Stephanie Döring ins Boot.

Zwölf Weine ließ sich das Vereinspräsidium vorführen. Gefunden werden sollten zwei „stadiontaugliche Fußballweine“, sagt Döring. „Weine, die man gerne trinkt, griffig, mit Trinkfluss.“ – Weine mithin, die sowohl zu Rinderfilet als auch zu Currywurst passen.

Herausgekommen ist im Fall des Rotweins Jolly Tinto ein Tempranillo aus der Gegend um die spanische Hafenstadt Valencia. Die Trauben stammen aus dem Jahr 2007 und der Wein reifte drei Jahre in Eichenfässern. Dadurch schmeckt er im Stil eines Reserva sehr weich, pflaumig, man schmeckt Blaubeeren, Johannisbeeren und Kaffeearomen und er hat keinen bitteren Geschmack.

Der Weißwein Jolly Blanc kommt aus der südfranzösischen Gascogne und ist aus der Rebsorte Colombard gemacht. Er ist fruchtig, spritzig und leicht, mit den Noten von Pfirsich, Mango und Honig bei nur wenig Säure.

Wie der Jolly Tinto konfrontiert der Jolly Blanc den Konsumenten nicht mit außergewöhnlichen Geschmackserlebnissen. Vielmehr geht es um gute, konsensfähige Weine für den Alltagsgebrauch. Der Preis allerdings liegt bei 6,90 Euro pro Flasche – damit verlässt der FC St. Pauli jenes Low-Budget-Segment, in dem das Astra-Pils zu Hause ist.

Dennoch wird der FC St. Pauli nicht die Probleme bekommen, die es 2009 bei dem Marketing-Eigentor „Kalte Muschi“ gab. Das Rotwein-Cola Mischgetränk wurde als „offizielles Kaltgetränk“ des FC St. Pauli verkauft – Totenkopf auf dem Flaschenhals inklusive. Die Fans lehnten das Angebot als „sexistischen Scheiß“ lautstark ab. Der Vertrag zwischen Verein und Hersteller ist mittlerweile ausgelaufen.

Bei Jolly Tinto und Jolly Blanc ist nun nicht nur der Inhalt, sondern auch der Auftritt ein anderer. Bislang gibt es den Wein außerhalb der VIP-Bereiche nur im Online-Shop von Tvino zu kaufen. Mit den Vereinsinsignien wird auf dem Etikett dezent umgegangen. Und auch das ist wohl überlegt: „Wenn wir einen Totenkopf auf dem Etikett hätten“, sagt Döring, „dann würde den Wein keiner trinken.“