Kurzkritik: Benno Schirrmeister über „Othello“
: Liebe ist keine Farbe

Wenn Sie Zeit haben, gehen Sie am Samstag in die Shakespeare Company! Und wenn Sie keine haben – nehmen Sie sich welche! Diese hochkonzentrierte, ex­trem klare und kühne „Othello“-Collage, die das Toneelhuis Antwerpen dort nur noch an diesem einen Abend zeigt, ist wichtig. Sie ist mitreißend. Und geradezu befreiend – dank Regisseur Mokhallad Rasems radikal antipsychologischem Ansatz. Shakes­peares Personalhundertschaft streicht er auf Jago, Othello und Desdemona zusammen. Die berühmten Motive und Sätze greift er auf, transformiert, verdichtet sie zu hoch wirksamen szenischen Injektionen: hier Begegnung, hier Hass, hier Zärtlichkeit, Betrug, Mord, Vergewaltigung.

Auf eine allmähliche Entwicklung verzichtet er: Ihn interessieren Fremdheitskonstruktionen, und mit ihnen spielt die Produktion, unterwandert, entkräftet sie. Schon durchs Casting: Roy Aernout, muss sich als Othello dafür verantworten, dass er mit seiner „melaninarmen Haut“ nicht den Erwartungen an seine Figur entspreche. Und Julia Ghysels ist – „beauty herself is black“ – eine fabelhafte Desdemona. Ausdrucksstark erzählt sie ihre Geschichte – ohne Chance, verstanden zu werden: Die junge Frau aus Brüssel deklamiert auf Lingála, einer Nationalsprache des Kongo.

Desdemona schminkt Othello schwarz, er sie weiß: Den Anderen als seine Farbe zu sehen, ist eine Menschheitstragödie. Sich ihm anzuverwandeln, ist das alberne Spiel der Liebe.

Sa, 19.30 Uhr, Theater am Leibnizplatz