piwik no script img

Lauter innere Landschaften

NORDEN Den drei Malerfreunden und Künstlerkollegen Schwontkowski, Hartmann und Neumann verschafft die Städtische Galerie noch einmal ein Wiedersehen in einer Ausstellung

In „Nordisch-üppige Flora“ hat Hartmut Neumann ein fantastisch florales Helsinki entworfen Foto: Städtische Galerie

von Jan Zier

Wenn eine Bremer Ausstellung „Norden“ heißt und Landschaftsmalerei verspricht, denkst du natürlich an Worpswede, unwillkürlich. An Idyll und Pathos. Aber darum geht es hier nicht, glücklicherweise! Streng genommen geht es nicht einmal um Landschaft, jedenfalls nicht um die Welt da draußen: Die gemalte Landschaft, hier ist sie niemals ein Abbild, schon gar nicht eines von Norddeutschland – sondern stets etwas zutiefst Subjektives, stark Verinnerlichtes. Das ist, was die Bilder von Norbert Schwontkowski, Thomas Hartmann und Hartmut Neumann noch am ehesten verbindet.

Natürlich, da ist die langjährige Freundschaft dreier im Norden geborener Maler, die einst zusammen in Bremen studiert haben. In den Siebzigern war das, als die Kunsthochschule noch Hochschule für Gestaltung hieß.

Die Bremer Kunstszene war seinerzeit eher isoliert, und Landschaftsmalerei ohnehin von gestern. Anderswo waren Minimalismus und Konzeptkunst angesagt – in Bremen eher nicht so, da produzierten viele lieber eine realistische, sozialpolitisch orientierte Kunst. Schwontkowski, Hartmann und Neumann dagegen bezogen sich auf den Expressionismus, also das frühe 20. Jahrhundert.

Die Städtische Galerie nennt sie die „drei Bremer Maler-Heroen“. Wobei, ehrlich gesagt, nur der 2013 verstorbene Norbert Schwontkowski überregional einige Bedeutung erlangt hat, und auch das erst sehr viel später: 2004 widmete die Bremer Kunsthalle ihm eine große Ausstellung, und wichtige Metropolen-Galerien entdeckten ihn.

Mit Hartmann teilte Schwontkowski am Anfang der Achtzigerjahre noch ein Atelier in Bremen. Aber während der all die Jahre mehr oder minder ein Bremer blieb, ging Hartmann später nach Berlin und bekam 2005 schließlich in Nürnberg eine Professur. Neumann wiederum zog dann nach Köln und wurde 1992 in Braunschweig ein Professor. Mit Bremen verband sie all die Jahre vor allem die Galerie „Beim Steinernen Kreuz“, die sie vertrat und 2005 auch mal gemeinsam ausstellte.

Für die Bremer Kunstszene der Achtzigerjahre hatten die drei „eine hohe Bedeutung“, sagt Ingmar Lähnemann von der Städtischen Galerie. Der Ausstellung sieht man das jedoch gar nicht an, weil sie auf den unmittelbaren Bezug zu anderen KünstlerInnen völlig verzichtet. Sie will aber auch keine Retrospektive sein. Statt dessen versammelt sie vor allem, erfreulich großzügig gehängt, neuere Arbeiten der drei Maler.

In der Ausstellung zeigen sich in erster Linie – und das ist ihre Stärke – die Unterschiede der drei Künstler. Je dichter man sie zusammenbringt, desto weniger scheinen sie gemeinsam zu haben. Der titelgebende „Norden“ ist dabei ebenso wage wie die Wahrnehmung der Landschaft.

Da ist Hartmut Neumann, dessen Ölbilder durchweg sehr fantastisch daherkommen. Pflanzen und ornamentale Formen werden wild und beinahe grellbunt ineinandergeschichtet, hier und da kommt ein Tier zum Vorschein und der Blick des Betrachters verliert sich in zahllosen, sehr akkurat ausgeführten Details. Beinahe naiv kommen diese Landschaften daher, und sie könnten irgendwo und nirgendwo sein oder auch die Illustration eines ebenso blumigen wie apokalyptischen Fantasy-Romans.

Norbert Schwontkowskis Bilder wiederum sind sehr poetisch, typischerweise vor allem grün und braun und ein wenig düster-melancholisch, in sich gekehrt. Manchmal kommt das Meer vor, ein Anleger beispielsweise, oder ein Schiff. Manchmal blitzt tiefschürfende Inhaltsschwere durch, etwa wenn ein Bild mit „Unsere Gedanken, unsere Taten“ überschrieben ist. Und manchmal sind die Bilder von liebenswerter, feinsinniger Ironie und heißen „Braut im Matsch“. Oder „Bergspitze“. Und zeigen auch genau das: ein kleines weißes Dreieck in weitem Olivgrün.

Thomas Hartmann eröffnet die Ausstellung mit einem großformatigen Ölgemälde namens „Die Natur ist größer“ von 2015. Wie auch anderswo löst er seine Landschaft dabei in kleine, wiederkehrende serielle Setzungen auf. Mal sind sie eher unbestimmt, so wie hier, mal sind es unendlich viele Vögel oder einfache weiße Bildpunkte vor leuchtendem Rot. Stets spürt man dabei das Ringen des Malers mit der schieren Größe und Gewalt und Unendlichkeit seines Sujets. Stets sind seine Bilder wunderbar offen für die eigenen Gedankenwelten.

Dass seine Bilder auch eher nur am Rande irgendwie „norddeutsch“ sind: Gut so! Jedenfalls entgehen sie auch so dem Kitschverdacht, der bei Landschaftsmalerei schnell mal genährt wird.

Bis 30. Juli. Eröffnung: Samstag, 19 Uhr, Städtische Galerie, Buntentorsteinweg 112

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen