brüsseler spitzen: Breaking the rules

die eu-parlamentskolumne

von Eric Bonse

Es gibt ein paar ungeschriebene Regeln in Brüssel. Dass man nicht Deutsch sprechen soll, sondern Englisch und Französisch – obwohl Deutsch auch eine offizielle Amtssprache der EU ist. Oder dass man sich nicht in Wahlen einmischen soll. Denn Wahlen sind heilig. Wahlen sind Demokratie. Eine Bürokratie wie die EU-Kommission soll sich da raushalten, denn sie kann nur Unheil anrichten. Beim Brexit-Referendum wurde diese goldene Regel noch respektiert.

Doch nun wurde sie gebrochen, sogar gleich zweimal. Das erste Mal passierte es, als Emmanuel Macron und Marine Le Pen in die Stichwahl in Frankreich kamen. Da konnte sich Kommissionschef Jean-Claude ­Juncker nicht mehr zurückhalten. „Votez Macron“, empfahl er. Denn Le Pen stehe für die „Zerstörung Europas“.

Das war nicht fein. Aber es sollte noch dicker kommen. Ausgerechnet in England, im Mutterland der Demokratie, mischte sich Juncker ein. Zwar nicht direkt, aber das macht die Sache fast noch schlimmer.

Wir reden vom „Desaster Dinner“, das Juncker mit der britischen Pre­mierministerin Theresa May in London hatte. Das Essen in Downing Street soll ganz gut gewesen sein, auch die Umarmung war freundlich. Doch danach ging es zur Sache, und nun herrscht „Krieg“.

„May erklärt Brüssel den Krieg“, schrieb der Guardian. Die Britin ist sauer darüber, dass Juncker nicht nur Details seines Dinners, sondern auch noch Werturteile durchgestochen hat. „May lebt in einer anderen Galaxie“, sagte er, der Brexit könne doch noch scheitern.

Verantwortlich für das Leak ist, wenn nicht alles täuscht, Martin Selmayr – Junckers rechte Hand. Der deutsche Jurist sorgt nicht zum ersten Mal für Ärger. Auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise 2015 rasselte er schon mit Finanzminister Wolfgang Schäuble aneinander. „Es müssen nicht über das Wochenende von irgendwelchen nicht autorisierten Persönlichkeiten irgendwelche Erwartungen geschürt werden“, regte sich Schäuble damals auf. Doch genau das ist nun wieder passiert. Wieder am Wochenende. Wieder von dieser „nicht autorisierten“ Person.

Selmayr und Juncker haben die Regeln gebrochen. Dabei sollen sie eigentlich über die Einhaltung der Regeln wachen. Das zeigt, wie groß die Nervosität in Brüssel ist. Wahlen sind nicht mehr heilig, jedenfalls nicht in Frankreich und Großbritannien. Und in Deutschland? Wait and see! Vielleicht lernt Europa ja doch noch, deutsch zu sprechen …