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Briefe an die Kollegen

Wer bestimmt, worüber wie berichtet wird? Fast immer: Männer. Was daran so gestrig ist? Lesen Sie selbst!

Aus der Bild-Zeitung Liebe Gorch Fock,

eigentlich haben Schiffe Mädchennamen, weil die Braut des Seemanns die See ist. Dein Namensgeber ist der Schriftsteller Gorch Fock, der im Ersten Weltkrieg bei einer Seeschlacht fiel.

Du bist also ein männliches Schiff.

Meiner Meinung nach haben Frauen auf der „Gorch Fock“ nichts verloren. Die „Gorch Fock“ ist eine Männerwelt. Die meisten Matrosen haben abstehende Ohren wegen ihrer rasierten Köpfe.

Natürlich ist Testosteron in ihren Hosen.

Die wichtigste Frage ist, ob Frauen in diese Männerwelt passen.

Frauen, die auf den 40 Meter hohen Mast der „Gorch Fock“ klettern.

Okay, jetzt sage ich, was ich meine: Ich mag keine Frauen als Soldatinnen, ich mag keine Frau, die schießt, ich mag mir keine Frau vorstellen, die aus 40 Metern herunterstürzt.

Die Frau, die ich mag, ist eine Frau, die ein Baby, eine Hoffnung, eine Zukunft hat.

Herzlichst

F. J. Wagner

Liebe Bild-Zeitung,

manche Zeitungen und Zeitschriften sind männlich, Der Tagesspiegel zum Beispiel, aber die meisten sind weiblich. Auch du bist eine weibliche Zeitung. Meiner Meinung nach haben Männer in der Redaktion nichts verloren. Es ist eine Frauenwelt. Die meisten Journalistinnen haben Haare auf den Zähnen wegen ihrer Stutenbissigkeit.

Natürlich fließt zugleich das Kuschelhormon Oxytocin durch ihre Adern; sie müssen ja dauernd stillen.

Die wichtigste Frage ist, ob Männer in diese Frauenwelt passen.

Männer, die sich skurrilen Erektionsfantasien mit 40 Meter hohen Masten hingeben.

Okay, jetzt sage ich, was ich meine: Ich mag keine Männer als Kolumnenschreiber, denen das viele Viagra offenbar die Hirnzellen zugrunde gerichtet hat, ich mag keinen Mann, der Mütter mit seiner Zuneigung beleidigt, ich mag mir nicht einmal bei der Bild-Zeitung einen Schreiberling vorstellen, der den tragischen Tod einer Soldatin zum Anlass nimmt, sich über deren Berufswahl zu empören.

Der Journalist, den ich mag, ist ein Journalist, der denken kann.

Mit freundlichen Grüßen

Rafaela von Bredow

Autorin im Ressort Wissenschaft beim Spiegel, muss jetzt mit dem mulmigen Gefühl leben, dem unsäglichen F.-J. W. zu viel Ehre angetan zu haben.

Liebe Altvordern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,

nix dagegen, wenn vergreiste Schreiber, deren Testosteronwerte „im freien Fall“ zu sein scheinen, sich ein Zubrot zur Rente verdienen wollen – ja, nicht nur die „Griechen haben es schwer“, wie Sie auf Ihrer Titelseite vom 10. Mai floskelten. „Atemberaubend“ allerdings, wie blind Sie dafür sind, dass aus Ihrer womöglich lustig gemeinten verlängerten Bildunterschrift der Speichel tropft. Da dünkt es mich, Sie hätten einen Traum: Statt weiterhin umsonst unsere Euros nach Athen zu tragen, sollten wir „lieben“ – sprich: solventen – Europäer einfach die Herausgabe sämtlicher „herrlich lachender“ Griechinnen unter 30 fordern, damit diese in den Geldgeberländern Griechenlands Schulden abarbeiten können.

Ob „ein Land, das solche zauberhaften Täubchen sein Eigen nennt“, sterben darf, fragen Sie?

Nach Ihnen bitte!

Ihr Frollein Karina Lübke

Freie Autorin, wollte nie ein Mann sein – bis sie etliche Jahre als Frau im Journalismus gearbeitet hatte. Obwohl sie ihren Beruf noch liebt, ist ihr das herrliche Lachen dabei vergangen.

Liebe Spiegel -Kollegen,

stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem von einer Hexe gelenkten matriarchalischen Fantasieland, in dem Meinungsfreiheit nur für Frauen gilt. Sobald sich mehr als eineinhalb Männer an einem Ort versammeln, werden sie von bärtigen Mannsweibern abgeführt und erst entlassen, wenn sie schwören, sich nur noch um Haushalt und Familie zu kümmern, damit die Mutter ihrer Kinder auf einem Quotenposten Karriere machen kann.

Eines Tages haben Sie die Faxen dicke. Sie gründen mit zwei anderen Männern eine Band namens „Cock Riot“, stürmen das größte Kosmetikstudio des Reiches und singen ein Protestlied, in dem Sie Alice Schwarzer und die Mutter Maria wüst beleidigen. Sie werden vor Gericht gestellt, Ihnen drohen bis zu drei Jahren Haft. Sie haben Angst, aber: Sie sind ein Held, und Sie hoffen, dass irgendwer da draußen das bemerken wird.

Tatsächlich: In Deutschland widmet der Spiegel Ihnen eine Titelstory, verfasst von drei Autorinnen. Das heißt, eigentlich widmet der Spiegel die Geschichte vor allem einem von Ihnen – nämlich dem Jüngsten, Schlanksten, auf dessen ebenmäßigem Gesicht sich die These „Revolution kann sexy sein“ so herrlich entfalten lässt. Sie selbst sehen auch nicht übel aus, aber die „sorgsam gezupften Augenbrauen“ Ihres Verbündeten, sein „perfektes Styling“ hat es den Spiegel-Damen besonders angetan: Der „schöne junge“ Mann schafft es allein aufs Cover, während Sie nicht einmal im Heftinneren gezeigt werden. Erst im letzten Drittel des sehr langen Artikels wird Ihr Name erwähnt. Sie sind empört: Ist man etwa der größere Held, nur weil man ein markantes Kinn hat?

Nun, meine Herren, kramen Sie bitte den Spiegel 33/2012 hervor, um die von Ihnen geschriebene Geschichte zum Prozess gegen die russische Frauenband Pussy Riot zu lesen: Verstehen Sie, was ich meine?

Hoffnungsvoll

Julia Karnick

Freie Journalistin, weder jung noch kirschmündig, ahnt: Egal, welche Revolution sie und ihre Gefährtinnen anzetteln, auf das Wohlwollen der Spiegel-Männer darf sie dabei nicht hoffen.

Sehr geehrter Giuseppe di Grazia,

da wollten Sie Marissa Mayer, die schwanger zur neuen Yahoo-Chefin gekürt worden ist, im stern mal eine richtige Hymne dichten. Ist ja auch irre, wie die das hinkriegt: Hat sowohl ein funktionierendes Hirn als auch funktionierende Fortpflanzungsorgane und bringt beides gleichzeitig zu maximaler Entfaltung. Weil Sie der Frau also etwas richtig Nettes sagen wollten, machen Sie aus ihr einen Zwitter: „Marissa Mayer ist ein Mann, der gerade schwanger ist!“ Sie haben nämlich festgestellt, dass Frau Mayer ganz viele typisch männliche Fähigkeiten hat (Verantwortung annehmen! Rivalen ausstechen! Nach Beförderungen verlangen!), aber auch viele typisch weibliche Neigungen (Dinnerpartys ausrichten! Cupcakes backen! Sich für Hochzeitskleider interessieren!). Frage: Wenn rauskommt, dass der Facebook-Gründer in seiner Freizeit gern alte „Sex and the City“-Folgen schaut und Erdbeertörtchen backt, schreiben Sie dann: Mark Zuckerberg ist eine Frau, die neulich einen Börsengang vermasselt hat?

Wundert sich

Alena Schröder

Freie Journalistin, krault sich gern versonnen die Eierstöcke, wenn sie die vielen nackten jungen Männer sieht, die es regelmäßig aufs stern-Cover schaffen.

Liebes Manager Magazin,

wenn Sie über Frauen schreiben, das ist, wie wenn der Papst Frauen küsst: Da fehlt die Routine.

Vielleicht ist es so zu erklären, dass bei der Titelgeschichte über die mächtigen Frauen der Verlagsbranche dieser dumme Fehler passiert ist. Vielleicht war die Diskussion darüber, welche der Frauen denn nun covertauglich ist (das „Gefühlsweib“ Liz Mohn oder eher das „zähe Weibsbild“ Friede Springer?), schon in vollem Gange, als jemand Fotos von dieser heißen Blonden ins Spiel brachte, auf denen ab und an der BH so neckisch hervorblitzte. Und plötzlich drehte sich die Debatte nicht mehr um Liz und Friede. Plötzlich ging es um durchsichtige Blusen. Und volle Lippen. Und irgendwann war allen so schwindelig, dass es niemandem auffiel: Die Frau arbeitet gar nicht in der Verlagsbranche. Aber nicht verzagen, liebe MM-Redaktion: Übung hilft. Erhöhen Sie einfach den Anteil Ihrer Berichterstattung über Frauen von derzeit 2 auf – ach, ich bin mal bescheiden: 30 Prozent. Das wird schon noch!

Mit vielen Grüßen

Nicole Basel

Kind der 80er, fühlte sich beim Anblick von Verleger-Gattin Maria Furtwängler auf dem Cover des Manager Magazins an Zeiten erinnert, in denen Zahnarztfrauen für Zahncreme warben.

Liebe Welt,

am 6. September habt Ihr alle verwirrt. Vorstandsfrau Julia Jäkel werde das Unternehmen „nicht alleine leiten“, stand unter der Überschrift „Ulrich Wickerts Frau wird Chefin von Gruner + Jahr“: Ein Comeback für Mr Tagesthemen als Verlagsleiter?

Um den ging’s dann aber gar nicht. Hey, das ist Leserfoppen! Dabei hätte uns das interessiert: Was wird aus Uli, wenn seine Julia aufsteigt? „Julia Jäkels Mann wird Elternvertreter“ – so etwas wüssten wir gern.

Viele Grüße

Annette Bruhns (gebürtige)

Spiegel-Redakteurin, heiratete einen schwulen Dissidenten aus der DDR, der noch ihren Nachnamen trägt.

Liebe Öffentlich-Rechtliche,

nachdem Ihr Eure Finanzierung per Zwangsabgabe durchsetzen konntet, meint Ihr wohl, der Kundschaft vergehe Hören und Sehen schon nicht so schnell. Und schickt dem Schaden auf großen Plakaten den Spott hinterher. „ARD, ZDF und Sie“ heißt das Motto Eurer neuen Kampagne. Sie? Pardon, „sie“ sieht nur „ihn“. Nichts als Männerköpfe bewerben da „Freie Medien für freie Meinungen – dank Ihres Rundfunkbeitrags“. Den scheinen Frauen nie selbst zu zahlen, denn auch im Quiz „Wer hat was gesagt?“ auf www.ardzdfundsie.de kommen sie nicht vor, da dürfen nur die großen Worte großer Männer erraten werden. Die Kanzlerin ist als Einzige dabei, aber kein Zitat von ihr. Eine Frau, die regiert? Bringen wir sie wenigstens hier zum Schweigen! Und wir bringen’s vor Eure immerhin drei Intendantinnen, liebe ARD (das ZDF hatte das Problem ja noch nie): Monika Piel, Dagmar Reim, Karola Wille: Wollen Sie wirklich Steinzeit-PR für Ihre Sender?

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Dernbach

Politische Reporterin beim Tagesspiegel, wurde an einem Mädchengymnasium fürs Leben verdorben. Podien, auf denen nur Männer reden, und Sendungen ohne Frauen kennt sie seit langer Zeit nur vom Weggucken.

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