Tödliche Infektion

AIDS Viele HIV-Infizierte wissen gar nicht, dass sie das Aids-Virus in sich tragen. Experten warnen auf Kölner Tagung vor Sorglosigkeit

Eine alarmierend gefährliche Situation: In Europa weiß jeder zweite HIV-Infizierte nach Einschätzung von Experten nichts von seiner Infektion. „Wir gehen von einer sehr hohen Dunkelziffer aus“, sagte Professor Jürgen Rockstroh zu Beginn der 12. Europäischen Aids-Konferenz, zu der in Köln 4.000 Experten zusammenkamen. In Westeuropa und Deutschland wissen geschätzte 30 Prozent der HIV-Infizierten, in Osteuropa sogar bis zu 70 Prozent nicht, dass sie mit dem Virus infiziert sind – sie geben das Aids-Virus weiter. „Oft kommt es dann erst zu einer Diagnose, wenn sich schon manifest Aids entwickelt hat, und es wird schwierig mit einer deutlich vorteilhaften Behandlung, das Todesrisiko ist dann hoch.“

Es gebe daher nirgendwo Grund zu Entwarnung oder Sorglosigkeit, betonte Rockstroh: „Auch heute stirbt man noch an Aids, auch in Deutschland, vor allem die, die zu spät kommen, die ihre Diagnose erst erhalten, wenn sie schon unter Organausfällen leiden.“

Die Experten beraten vier Tage lang, wie die Sterblichkeit mit neuen Testkampagnen, früherer Diagnose und besserem Zugang zu einer Behandlung – vor allem in osteuropäischen Ländern – verringert werden kann. Nur wer von der eigenen Infektion weiß, könne auch andere schützen. Eine deutliche Senkung der Neuinfektionszahlen wäre dann möglich.

Auf der Aids-Konferenz geht es auch um die Suche nach einem Impfstoff. Jüngst veröffentlichte Ergebnisse einer Impfstudie von Forschern aus den USA und Thailand seien „ein erstes Signal, aber nicht mehr“, meinte die französische Medizin-Nobelpreisträgerin Françoise Barré-Sinoussi. Es werde noch sehr lange dauern, bis endlich ein Impfstoff zur Verfügung stehe.

Schwierig ist die Lage vor allem in osteuropäischen Ländern. In Russland wird die Zahl der Infizierten auf eine Million geschätzt, sagte Rockstroh. Die Sterblichkeit in Ländern mit gutem Zugang zu antiretroviralen Kombinationstherapien, die die Vermehrung des Virus wirksam verhindern können, ist Experten zufolge deutlich gesunken. Auch eine Entkriminalisierung und Entstigmatisierung der Betroffenen müsse einsetzen.

In Deutschland sind die Zahlen relativ niedrig. Bundesweit lebten Ende 2008 rund 63.500 Menschen mit HIV oder Aids. Allerdings infizierten sich im vergangenen Jahr fast 3.000 Menschen neu – eine Verdoppelung im Vergleich zu 2001. Die Todesfälle gab das Robert-Koch-Institut mit 650 an. (dpa, taz)