leserinnenbriefe
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Grandiose Tragikomödie

■ betr.: „Energielobby: Klimaschutz sofort!“, „Appell aus London“, taz vom 11. 11. 09

6 Grad in hundert Jahren mit der Folge eines „massiven Klimawandel(s) und irreparable(n) Schäden für den Planeten“? Wenn die IEA das einsieht, dann dürfte alles vermutlich noch viel früher und schlimmer eintreten … Allerdings, darf ich hinzufügen, ist dem Planeten das völlig wurscht.

Es ist der zwanghaft auf Wachstum konditionierte Mensch, der sich verrannt hat und sich seiner Lebensgrundlage beraubt und das auch bis auf weiteres tun wird. Und daher kann sich nichts Gravierendes ändern. Erst muss die Ursache des unnatürlichen, letalen und übermächtigen Wirtschaftswachstumszwangs beseitigt werden, und die liegt primär in der Struktur unserer sakrosankten Ware Geld. Dafür sorgt letztlich mit tödlicher Sicherheit das vom Menschen geschaffene Instrument Zinseszins. Die kreditorientierte Realwirtschaft ist auf Deubel komm raus gezwungen mitzuwachsen, ob sie will oder nicht, und auch der Staat verschuldet sich immer weiter, ob er will oder nicht.

Dem Wachstumszwang ist es schließlich ebenfalls wurscht, wie Wachstum generiert wird, selbst wenn wir weiterhin unsere Umwelt zerstören, plündern, ausbeuten, manipulieren usw. Dazu kommt eine ebenfalls exponentiell wachsende Weltbevölkerung, die auch gern unseren westlichen Lebensstandard hätte. Und unsere Politik? Die arbeitet in denselben Grenzen jenes Denkens, das schon die Misere verursacht hat – und schafft ein „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“. Welch grandiose Tragikomödie.

HARALD CZACHAROWSKI, Bremen

Internationale Verantwortung

■ betr.: „Klima der Straflosigkeit“, Christian Rath über eine fehlende Militärjustiz in Deutschland, taz vom 11. 11. 09

Ohne rechtsstaatliche Kontrolle des Militärs ist Deutschland also nicht reif für internationale Verantwortung? Sie meinen, ungefähr so reif für internationale Verantwortung wie die USA, die neulich Dick Cheney und George W. Bush wegen ihrer Folterprogramme verurteilt haben? Vielleicht wäre es eher ein Fortschritt, wenn die taz sich unter „Verantwortung“ noch etwas anderes, als Menschen Bomben auf den Kopf zu schmeißen, vorstellen könnte.

ANTON FLÜGGE, Frankfurt am Main

Die Regierung verurteilen

■ betr.: „China richtet Uiguren hin“, taz vom 11. 11. 09

Warum schaffen es hingerichtete Han-Chinesen nicht in die Schlagzeile/Überschrift? In Ihrem Artikel geht es Ihnen doch eigentlich um die Anklage der von der chinesischen Regierung vollstreckten Todesstrafe und der mangelnden Rechtsstaatlichkeit der Prozesse. Warum sind dann die zwei hingerichteten Han-Chinesen nicht im Titel erwähnt? Gelten für diese nicht dieselben Menschenrechte?

Mir scheint es bei der taz so zu laufen: Wenn es um han-chinesische Dissidenten oder Aktivisten geht, werden diese als Opfer der Staatsmacht betrachtet. Geht es aber um einen ethnischen Konflikt, wie in Tibet oder Xinjiang, scheint für die taz klar: Opfer sind nur die ethnischen Minderheiten. Das ist in diesem Fall doppelt tragisch: Denn alle Bewohner Xinjiangs sind Opfer einer verfehlten Migrations- und Minderheitenpolitik der Regierung. Und es gingen Uiguren auf beliebige Han-Chinesen (als Stellvertreter der Regierung) los, Ergebnis, wie ihr selbst berichtet: 134 tote Han-Chinesen, 63 tote Uiguren.

Bitte spielt nicht Bürger der Volksrepublik China gegen andere Bürger der VR aus, wenn es gilt, die Regierung zu verurteilen.

ANTONIE MAYBAUM, Ingolstadt

Banken und Regierung

■ betr.: „Schulden neu vergoldet“, „Die Jagd nach Rendite geht wieder los“, taz vom 11. 11. 09

Wenn die Banker eines aus dem Finanzcrash gelernt haben: Egal, durch welche riskanten Spekulationen sie auch künftig in eine bedrohliche Schieflage geraten, auf die Regierung ist sicherlich Verlass, die sie wieder aus einer drohenden Pleite retten wird. Alle Bekundungen zu verstärkten Restriktionen für das Finanzwesen seitens der PolitikerInnen haben bisher zu keinerlei Vorschriften geführt, die gefährlichen Spekulationen Einhalt gebieten könnten. Und damit ist auch bei der jetzigen „christlich-liberalen“ Regierung nicht zu rechnen. Wie auch, wenn Leute wie Deutsche-Bank-Chef Ackermann beste Kontakte zur Kanzlerin haben.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Kranke Leistungsgesellschaft

■ betr.: „Torwart: Was der Fußball an Robert Enke verliert“,taz vom 12. 11. 09

Länderspielabsage gegen Chile, TV-Sondersendungen, Medienspektakel, Trauermärsche. Das alles hilft dem toten Fußballnationaltorwart Nr. 1, Robert Enke, herzlich wenig. Eine Leistungs- und Ellenbogengesellschaft, in der der depressive Mensch als Weichei und Bekloppter stigmatisiert wird, ein öffentliches Outing fatale Konsequenzen hat und nur der starke, gesunde Mensch wirklich zählt, ist selbst krank.

Deshalb gehören das Tabuthema und die Volkskrankheit Depression und ihre Ursachen endlich in den Fokus. Dann wäre Robert Enke nicht umsonst gestorben. ROLAND KLOSE, Bad Fredeburg