Streit zwischen Bauern: Neue Jagdszenen aus Niederbayern

AGRAR Milchdumping und Hofsterben führen zu erneutem Haberfeldtreiben gegen Bauernpräsident

BERLIN taz | Es wird ein gruseliges Spektakel: Am Freitagabend wollen hunderte Bauern mit rußgeschwärzten Gesichtern, Fackeln und dunklen Mänteln durch das niederbayerische Ruhstorf bei Passau ziehen. Im Wohnort von Gerd Sonnleitner werden sie ihren Ärger über den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes artikulieren. Jeden Vorwurf quittiert die Menge mit einem Höllenlärm aus Kuhglocken, Ratschen und Trommeln – wie es im Mittelalter bei diesem „Haberfeldtreiben“ genannten Brauch gegen mutmaßliche Übeltäter üblich war.

„Immer mehr Höfe müssen aufgeben, die Milchpreise sind zu niedrig. Nichts hat sich geändert seit dem letzten Haberfeldtreiben in Ruhstorf vor einem Jahr“, sagt Mitorganisator Wolfgang König, Bayern-Chef der kleinen Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Deshalb kommen wir wieder.“ Der Aufruf zu der Aktion richtet sich offiziell zwar nicht gegen Sonnleitner persönlich, sondern gegen „Politik und Bauernverband“. Aber König sagt: „Sonnleitner steht im Blickpunkt, weil er Präsident des Verbands ist.“ Der Organisation also, die nach eigenen Angaben 380.000 Bauern vertritt, aber nur für „Interessen der Industrie“ kämpfe.

So setze der Bauernverband die Politik unter Druck, in der EU nicht zugelassenes Gentechnik-Soja in importiertem Futter zu erlauben, heißt es in dem Aufruf. Zudem werde verhindert, dass die Menge der Milch auf dem Markt reguliert wird, um faire Preise zu bekommen. Zum Haberfeldtreiben müssten die Bauern greifen, weil „alternative Vorschläge der Landwirte nicht angenommen werden“, ergänzt König. Sonnleitner werde nur von wenigen Delegierten gewählt, die etwa mit dem Versprechen von Posten „gefügig gemacht werden“.

„Bei uns wird diskutiert“, sagt dagegen Bauernverbands-Sprecher Michael Lohse. Über den Milchmarkt entscheide nicht Sonnleitner, sondern die Politik, und „die ist nicht ferngesteuert“. Beim Gen-Futter habe der Verband lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass die europäischen Schweinemäster ohne billige Soja Marktanteile verlören. „Negativ berührt“ zeigt sich Lohse davon, dass „in einer Demokratie Mittel aus dem Mittelalter in die politische Auseinandersetzung eingeführt werden“.

Der vom Bauerverband abtrünnige Milchbauernbund BDM hält nur den Ort der Aktion für unglücklich. „In Ruhstorf lässt es sich nicht vermeiden, dass die Person attackiert wird“, sagt BDM-Chef Romuald Schaber. So werde Sonnleitner noch zum Opfer. JOST MAURIN