Finale der deutschen Futsal-Meisterschaft: Demonstranten aus Porto Alegre
Ein mit Brasilianern gespicktes Team aus Regensburg gewinnt klar die deutsche Meisterschaft. Das macht den DFB nachdenklich.
Mit dem Schlusspfiff begann die brasilianische Party. Edelfan und Fußballprofi Douglas Costa, der erst am Vorabend mit dem FC Bayern München den Gewinn der Meisterschaft gefeiert hatte, wurde vom Spielertrainer des SSV Jahn, Silveira Kruel, in vorderste Front beordert, damit sie gemeinsam den handlichen Trophäenteller in Empfang nehmen konnten.
Hinter ihnen hüpften sechs ausgelassene Landsleute, vornehmlich aus dem südbrasilianischen Porto Alegre. Alle sieben Treffer hatten sie erzielt. Der überragende Halison Goncalves traf allein viermal. „Genau deshalb sind sie hier“, sagte Oliver Vogel. „Sie wollen zeigen, wie man Futsal spielt.“ Er ist der Spiritus Rector dieses Teams, das er vor zwei Jahren gegründet hat.
Der rasante Gewinn des Titels veranschaulicht, warum man vom Futsal-Entwicklungsland Deutschland spricht. Die Meisterschaft in Zwickau schien zugleich auch ein Wettbewerb darum zu sein, wer die bunteste und wildeste Erfolgsgeschichte erzählen kann.
Der Sport: Futsal ist die offizielle, nun auch vom DFB geförderte Variante des Hallenfußballs. Der Name leitet sich vom portugiesischen Ausdruck futebol de salão und dem spanischen fútbol sala (‚Hallenfußball‘) ab.
Der Rahmen: Das Spielfeld ist durch Linien und nicht durch Banden begrenzt. Es wird mit fünf Spielern auf Handballtore mit einem Ball gespielt, der weniger stark aufgepumpt wird.
Die Regeln: Gewechselt werden darf unbegrenzt und fliegend innerhalb der mannschaftseigenen Wechselzone, der Einwurf ist durch den Einkick ersetzt, die Spielzeit beträgt zweimal 20 Minuten.
Zuwendungen von oben, anarchischer Geist von unten
Der DFB ist ja mit reichlich Verspätung dabei, den Sport zur nationalen Angelegenheit zu machen. Im vergangenen Jahr gründete man ein Nationalteam – 39 Jahre nachdem sich die Niederlande zu diesem Schritt entschlossen hat. Der Spielbetrieb in Deutschland wird mit Fördergeldern aufgepäppelt, und mit Sport1 präsentierte man erstmals einen TV-Partner, der das Endspiel live übertrug. Die Zuwendungen von oben treffen derzeit aber noch auf den anarchistischen Geist von unten.
In Zwickau hätte den brasilianischen Erfolg nur die osteuropäische Auswahl vom VfL 05 Hohenstein-Ernstthal verhindern können. Zu Beginn der zweiten Hälfte drehte das Ensemble mit Spielern aus Polen, Tschechien, Ukraine und Russland auf und egalisierte den 1:3-Pausenrückstand. „Doch dann hat sich die individuell höhere Qualität des Gegners durchgesetzt“, erklärte Teammanager Heiko Fröhlich. Seiner Initiative ist in der sächsischen Kreisstadt nahe Zwickau der Aufstieg in die nationale Spitze zu verdanken. Auslösendes Erlebnis war die EM 2012 in Split.
Nach seiner Rückkehr baute er in Hohenstein-Ernstthal eine Futsal-Abteilung auf und machte sich die Nähe zu Tschechien und Polen zunutze. Mit dem russischen Trainer Petr Schatalin kamen drei starke ukrainische Spieler dazu, „aus touristischem Grund, um Land und Sprache kennenzulernen“, sagt Fröhlich. Wegen der instabilen Situation in der Ukraine würden die jungen Leute nach neuen Perspektiven Ausschau halten.
Vorbildfunktion brasilianischer Futsaler
Weil die unterlegenen Vereine sich in dieser Saison über die vielen Nicht-EU-Ausländer in den Reihen der Finalisten mokierten, legt Fröhlich Wert auf die Feststellung, dass sich sein Klub seit Jahren um eine nachhaltige Entwicklung bemühe und auch vielversprechende deutsche Spieler unter Vertrag nehme, wie den Nationalspieler Christopher Wittig. Im Finale tauschten die Sachsen ihren osteuropäischen Block regelmäßig gegen ihre deutschen Spieler aus, wobei Letztere deutlich weniger Gefahr vorm gegnerischen Tor erzeugten.
Oliver Vogel, dem Meistermacher von Regensburg, interessiert die Ausländerdebatte nicht. Er ist von der Vorbildfunktion seiner brasilianischen Futsal-Spezialisten überzeugt: „Nur so lernen unsere Jugendteams, wie es funktioniert.“ Der Futsal in Deutschland brauche Demonstrationsspieler. Seinen Spielertrainer Silveira Kruel hat er während eines vierjährigen Australien-Aufenthalts kennengelernt. Vogel spielte damals selbst in der australischen zweiten Liga.
Als Kruel mit der Verpflichtung von Douglas Costa beim FC Bayern im Sommer 2015 als dessen Freund und Personalcoach ebenfalls nach München kam, dauerte es nicht lange, bis Vogel zu ihm Kontakt aufnahm. Im Nu lotste Kruel über seine privaten Futsal-Netzwerke Freunde nach München. Die meisten jobben in einem brasilianischen Restaurant in der Leopoldstraße, und viermal die Woche wird in Regensburg trainiert. „Freitags“, berichtet Vogel, „übernachten die sieben immer in meiner Zweizimmerwohnung. Danach sieht es fürchterlich aus.“
Dem DFB werden die Geschichten aus der kleinen Futsal-Gemeinde offenbar zu bunt. Man denkt über eine Ausländerbegrenzung nach.
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