Klimawandel, wat’n dat?

Senat sieht „keinen Handlungsbedarf“ beim Hochwasserschutz. Dass der Meeresspiegel drastisch steigt, sei nicht belegt. Deichschützer entsetzt

Bremen taz ■ Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Pegelstände in Bremen und Bremerhaven sind für den Bremer Senat nach wie vor völlig offen. Es gebe „grundsätzliche Grenzen der Prognostizierbarkeit der Klimaentwicklung“, heißt es in einer der taz vorliegenden Antwort auf eine Anfrage von SPD und CDU zum Thema Hochwasserschutz in Bremen, die heute verabschiedet werden soll: „Verstärkt wird diese Unsicherheit durch nach wie vor unzureichende naturwissenschaftliche Kenntnisse und bestehenden Datenlücken bezüglich des globalen Klimasystems.“

BUND-Geschäftsführer Martin Rode hält das für eine „sehr merkwürdige Argumentation“. Die weit überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler sei sich längst einig, dass der Meeresspiegel aufgrund der Erderwärmung künftig weitaus schneller ansteigen werde als bisher. Insgesamt werde das Wasser doppelt so schnell steigen wie bisher, um „mindestens 50 Zentimeter“ in 100 Jahren – stärkere Tiden, Sturmfluten und Niederschläge noch gar nicht mit eingerechnet. Für die Prognose der kommenden 100 Jahre einfach die Entwicklung der vergangenen 100 Jahre fortzuschreiben, sei daher der falsche Ansatz.

Die niedersächsischen Küstenschützer hat diese Argumentation bereits überzeugt. Den Bremer Senat offenbar noch nicht. „In den letzten 100 Jahren“, schreibt der, sei der Meeresspiegel um ganze 15 bis 20 Zentimeter gestiegen. Und: „Szenarien gehen davon aus, dass sich dieser Trend in den nächsten 100 Jahren fortsetzen wird.“

Zwar, das räumt auch die Bremer Landesregierung ein, sei „aus fachlicher Sicht davon auszugehen“, dass auch an der Außen- und Unterweser „Deicherhöhungen erforderlich“ seien. In welchem Ausmaß, das will sie aber erst Mitte nächsten Jahres festlegen. Die „Unsicherheit über Intensität und Geschwindigkeit des Klimawandels“ sei „ein generelles Problem der Klimaforschung“.

Was die – von den normalen Tiden nicht betroffenen – Deiche oberhalb des Hemelinger Wehres und der Sperrwerke an Ochtum und Lesum angeht, beruft sich der Bremer Senat auf eine Untersuchung des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft. Dieses habe für ein statistisch nur alle 500 Jahre eintretendes Hochwasser keine Klimawandel-Zuschläge für nötig gehalten. Die Bremer Weserdeiche ab Hemelingen stromaufwärts würden bereits heute ein 500-jähriges Hochwasser verkraften, so der Senat, ergo: „kein Handlungsbedarf“.

Als lediglich „sehr begrenzt“ schätzt der Senat die Möglichkeiten ein, die sommerlichen Überschwemmungen links und rechts der Wümme einzudämmen. Weder die Höhe des Wasserstands noch die Dauer der Überflutung könnten nennenswert verringert werden. Detailliertere Erkenntnisse sollen in den nächsten Wochen öffentlich vorgestellt werden.

Ob durch die geplante Vertiefung der Fahrrinne in der Außen- und Unterweser Überschwemmungen in Bremen wahrscheinlicher werden, kann der Senat nicht sagen. Seine Zustimmung zu den Ausbauten hat er dessen ungeachtet bereits vor Monaten erteilt. Armin Simon