stadtgeschichte
: Ein scharfer Blick auf Graefe

Graefe, den Namen kennt man in Kreuzberg. Denn dort heißt nicht nur eine Straße so, sondern gleich ein ganzes Viertel: Graefe-Kiez. Dabei trug der ursprüngliche Namenspatron keineswegs einen Doppelnamen. Dafür aber gleich vier Vornamen. Friedrich, Wilhelm, Ernst und Albert. Letzterer war zugleich sein Rufname. Neben der Straße erinnert auch noch ein Denkmal an Graefe. Das allerdings steht nicht in Kreuzberg, sondern in Mitte, in der Nähe der Charité.

Denn dorthin waren einst seine Fans gepilgert. 50.000 Patienten pro Jahr sollen es gewesen sein – vor rund 150 Jahren. Albert Graefe war Mitte des 19. Jahrhunderts ein berühmter Augenarzt. Er gilt als Begründer der modernen Augenheilkunde. Schon als 19-Jähriger wurde er Doktor der Medizin. Er nutzte als Erster einen gerade erfundenen Spezialspiegel, mit welchem das Innere des menschlichen Auges untersucht werden konnte. Er führte eine neue Operationsmethode gegen das Schielen ein – und später auch für den grünen Star. Und er erfand ein spezielles Messer für die operative Behandlung des grauen Star, das noch 100 Jahre später benutzt wurde. Anfangs empfing er seine Patienten in einer Privatklinik, ab 1866 war Graefe dann Direktor der augenärztlichen Abteilung der Charité und gab die erste augenärztliche Fachzeitschrift heraus. Zu seinen Vorlesungen erschienen Ärzte aus aller Welt.

Persönlich hatte er allerdings wenig Glück. Schon 1870 starb Graefe an den Folgen einer Lungentuberkulose – im Alter von gerade 42 Jahren. Die damalige Boomtown Berlin hielt ihren scharfsichtigen Mediziner jedoch in Ehren. Schon fünf Jahre nach seinem Tod wurde die „Straße Nr. 7“ im damaligen Neubauviertel südlich des Landwehrkanals nach Graefe benannt. Der Kiez drumherum wurde nach Plänen von Peter Joseph Lenné erschlossen, der größte Teil der Bebauung erfolgte allerdings erst zwischen 1890 und 1900.

Auf Initiative der Berliner Medizinischen Gesellschaft hin wurde 1882 zudem das Graefe-Denkmal errichtet – mit Hilfe von weltweiten Spendengeldern. Im Laufe der weiteren Geschichte hat der steinerne Graefe ein wenig gelitten. Erst wurde er im Zweiten Weltkrieg lädiert, dann wurde sein Abbild durch die übliche Witterung etwas unscharf. Daher hat der Verein „Denk mal an Berlin e. V.“ erneut Spenden gesammelt.

Heute um 11 Uhr wird das aufgefrischte Graefe-Denkmal wieder enthüllt, an der Schumann- Ecke Luisenstraße. Graefe-Kiez-Bewohner, die ihren Namenspatron besuchen wollen, fahren am besten mit der U 7 von Südstern bis Mehringdamm und dann mit der U 6 weiter bis Oranienburger Tor. SAE