Rückschlag für Greenpeace

STAMMZELLEN-PATENTE Verbot für Forscher Brüstle wackelt. BGH überweist Fall an den Europäischen Gerichtshof

AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH

Greenpeace hat bei dem Versuch, „Patente auf Leben“ zu verhindern, einen herben Rückschlag erlitten. Der Bundesgerichtshof (BGH) zweifelt am Verbot von Patenten auf Stammzellverfahren und wird den Fall des Bonner Mediziners Oliver Brüstle dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen.

Brüstle ist einer der führenden deutschen Stammzellforscher. 1999 hatte er sich eine Methode patentieren lassen, mittels der man menschliche Nervenzellen herstellen kann. Aus embryonalen Stammzellen werden dabei Vorläuferzellen des Gehirns produziert, um diese später ins Nervensystem zu transplantieren. Eines Tages könnten mithilfe dieser Methode Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose behandelt werden. Stammzellen sind Zellen, die sich noch in jegliche Art von Zelltyp entwickeln können.

Allerdings hatte die Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen das Stammzellpatent geklagt. Es verstoße gegen das deutsche Patentgesetz, in dem es heißt: „Insbesondere werden Patente nicht erteilt für die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken.“

Die Klage von Greenpeace hatte in erster Instanz Erfolg. Das Bundespatentgericht erklärte 2006 Brüstles Patent für nichtig, soweit es sich auf menschliche embryonale Stammzellen bezieht. Zwar werden bei Brüstles Verfahren nicht direkt Embryonen verwendet, aber im Vorfeld – bei der Gewinnung der Stammzellen – seien menschliche Embryonen vernichtet worden.

Gegen diese Entscheidung hat der in Bonn forschende Brüstle jetzt den BGH angerufen. Brüstle kann nicht verstehen, warum er zwar mit Stammzellen forschen darf, seine Ergebnisse dann aber nicht patentwürdig sein sollen. Er beruft sich dabei auf das deutsche Stammzellgesetz. Es erlaubt die Forschungen an importierten Stammzelllinien, die vor Mai 2007 erzeugt wurden. Der Stichtag war auf Wunsch der Forscher erst im Vorjahr um fünf Jahre verschoben worden, um auch auf neuere Zelllinien zugreifen zu können.

Mit diesem Argument hatte Brüstle beim BGH tendenziell Erfolg. „Wenn etwas gesetzlich erlaubt ist, sollte ein Patent darauf eigentlich nicht verboten sein“, gab Peter Meier-Beck, der Vorsitzende Richter, zu bedenken. Im Patentrecht gelte traditionell ja eher die umgekehrte Faustregel, wonach auch Erfindungen patentiert werden können, deren praktische Anwendung (in manchen Staaten) gesetzlich verboten ist. Ein absolutes Patentverbot gelte in der Regel nur, so der Richter, wenn eine Erfindung gegen die Grundwerte der Gesellschaft verstoße.

Der BGH hält es deshalb für sinnvoll, wenn das Patentgesetz künftig weniger streng ausgelegt wird als am Bundespatentgericht. Zum Beispiel könnten Stammzellpatente für Forschung und Therapiezwecke vom gesetzlichen Verbot ausgenommen bleiben. Dagegen soll das Klonen von Tieren oder die Veränderung des menschlichen Erbgutes auch in Zukunft nicht patentiert werden können. „Nur solche Erfindungen haben eindeutig den Schutz und die Förderung des Staates nicht verdient“, betonte der BGH-Richter.

Der BGH wollte die Auslegung des Patentgesetzes aber nicht selbst vornehmen, sondern legt jetzt den Fall in Luxemburg beim EuGH vor. Schließlich beruhe die fragliche Passage des deutschen Patentgesetzes auf einer EU-Richtlinie und müsse daher europaweit einheitlich ausgelegt werden.

Ob der EuGH dann die forschungsfreundliche Linie des BGH unterstützt oder das generelle Patentverbot für Stammzellverfahren bestätigt, ist noch nicht abzusehen. Ein Vorlageverfahren in Luxemburg dauert etwa ein bis zwei Jahre.

Über die Entwicklung freuten sich aber nicht nur Mediziner Brüstle und seine Anwälte. Auch Greenpeace-Experte Christoph Then begrüßte, dass der EuGH bald Rechtsklarheit schaffen werde.