WORTWECHSEL
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Der rechte Spiegel

GruselStorYs Neuer Autoritarismus, neue Polizeigesetzgebung, Hass auf die politische Korrektheit im Wahlkampf und Hass auf dem Fußballplatz

Bitte nicht berühren! Foto: dpa

Polizeistaat 4.0

betr.: „Bei Schubsen Knast“, taz.de vom 27. 4. 17

Hurra! Endlich! Jetzt ist es so weit! Willkommen im Polizeistaat 4.0. Erst ganz subtil durch Abhören oder Bespitzeln „undercover“ – natürlich ohne richterlichen Beschluss. Gerne auch klare Verstöße gegen geltendes Recht und gegen den Bürger – ohne Folgen.

Und jetzt die Strafbarkeit bei körperlicher Berührung (absichtlich oder auch nicht). Das wird mein Verhältnis zur Exekutive stark belasten. Nicht weil ich ein Schubser“ bin. Das mache ich nicht, das finde ich auch indiskutabel. Aber weil ich befürchte, bei sogenannten Polizeiaktionen mit Schubsen als „Durchsetzungsmodell“ konfrontiert zu werden – ohne das Gegenteil beweisen zu können. Ich würde jetzt gern meinen Staat um Hilfe bitten ... WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

Israels Spiegel

betr.: „Das Ende der Leisetreterei“, taz vom 25. 4. 17

Die Nestbeschmutzer – wie die beiden Organisationen, mit denen Gabriel sich getroffen hat, von der israelischen Rechten genannt werden – sind Leute, die Aussagen von ehemaligen Angehörigen der israelischen Armee sammeln beziehungsweise das Video des Mordes an einem Terroristen durch einen israelischen Soldaten publizierten.

Kern des Problem ist, wie der ehemalige israelische Botschafter Schimon Stein so treffend sagte, dass diese Organisationen Israel einen Spiegel vorhalten – und dass der israelischen Rechten nicht gefällt, was sie sieht. KABOOM auf taz.de

Fossile Kraftstoffe

betr.: „Ein CO2-Preis greift zu kurz“, taz vom 24. 4. 17

Frau Wyciok, Sie haben vollkommen recht: „Wir müssen auch anderem, scheinbar Kostenlosem einen Preis geben, dem Kapital der Natur, also der Überdüngung von Böden oder der Belastung von Grundwasser, aber auch den sozialen Verwerfungen wie der Verdrängung von Kleinbauern. Unternehmen, die einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, könnten Vorteile bekommen: geringere Mehrwertsteuern für ihre Produkte oder geringere Unternehmensteuern.“

Aber es kann doch kein Grund sein, auf ein jetzt schon sehr wirksames Instrument zum Schutz des Klimas zu verzichten, weil man damit „nicht gleich alle Probleme auf einmal“ erledigt, oder? Lassen Sie uns doch bei den fossilen Kraftstoffen mit wahren und verursachergerechten Preisen anfangen, denn nur so können wir die selbst gesetzten Ziele zum Klimaschutz verwirklichen – und nichts hindert uns, weiter gehende Anliegen, wie von Ihnen berechtigt gefordert, zu verfolgen.

JÖRG LANGE und URSULA SLADEK, Freiburg

Der eine Nenner

betr.: „Der neue Autoritarismus“, taz vom 25. 4. 17

Der neue Autoritarismus ist doch der alte, denn kein Autoritarismus kann auf das Potenzial vorhandener Vorurteile verzichten, die ja schon ohne pädagogische Mission manipulierbar sind.

Das hat auch während der Nazizeit funktioniert, denn es konnten sich alle – egal welcher Klassenzugehörigkeit – auf den einen Nenner berufen, nämlich „deutsch“ und von daher besser als alle anderen zu sein, was die Herrschaft durch Zustimmung enorm erleichterte.

Die pädagogische Mission, „den neuen Menschen“ zu erziehen, gab’s dann noch obendrauf.

MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Gruselschauer

betr.: „Das Ekelpaket“, taz vom 24. 4. 17

Ja, mich überlief auch ein Gruselschauer, als ich Alice W.s sich überschlagende, metallische Stimme hörte in Bezug auf politische Korrektheit und Müllplatz der Geschichte. Es tat in jeder Körper­faser weh!

Dabei nervt mich politische Korrektheit auch schon manchmal, aber dann wär’ ich gern Kabarettistin, weil ich als solche nicht gleich fürchten müsste, falsch verstanden zu werden. Dies hier war jenseits alles Erträglichen, weil es gezielt, eindeutig auf verheerende Emotionen ausgerichtet war.

Das Schreckliche ist, dass dieses „Paket“ (Gauland/Weidel) zusammenpasst wie „A… auf Eimer“ oder „Faust aufs Auge“.

Ihr habt recht, es geht nur um die Macht – und das Hervorrufen und anschließende Manipulieren ebenjener verhängnisvollen Emotionen, wo immer sie irgendwo auf Resonanz treffen. Ist in Europa wieder ein Virus unterwegs?

ILONA HORN, Marburg

Arbeitsbashing

betr.: „Arbeiten ist nichts ­Erstrebenswertes“, taz vom 25. 4. 17

Diese These von Nick Srnicek für einen Gegenentwurf der Linken zum Neoliberalismus ist eine schreckliche Vision. Was versteht denn er unter Arbeit? Durch Arbeit erwerben der Mensch und die Gesellschaft nicht nur ihre Lebensgrundlagen. Woher sollten die sonst kommen? Vom Himmel oder durch Importe? Arbeit ist außerdem das Feld menschlichen Lebens, auf dem die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten erprobt, genutzt und entwickelt werden. Der Mensch wird ebenso durch mangelnde Nachfrage seiner Arbeit wie durch ein Zuviel an Arbeit krank. Das hat nichts mit neoliberaler Prägung zu tun, sondern schlicht mit dem Wunsch jedes Menschen, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten für sich und andere einzusetzen. Außerdem: Wie soll eine Gesellschaft funktionieren, wenn Dienstleistungen aller Art nur dann stattfinden, wenn der oder die Dienstleister – zum Beispiel Lehrer, Ärzte, Busfahrer, Redakteure, Bauern – ihre Arbeit nur dann machen, wenn sie dazu Lust haben? Linke sollten sich sehr für gerechte und menschenwürdige Arbeit einsetzen, aber keine Träumer vom Schlaraffenland sein. Und für mich ist auch Solidarität (für andere da sein) ein wichtiger linker Wert, nicht nur Individualität und Selbstverwirklichung. LUDWIG HOFFMANN, Wernigerode

DFB-Aktiönchen

betr.: „Herr Hopp und der Hass“, taz vom 26. 4. 17

Eine Straftat ist eine Straftat, bleibt eine Straftat – auch wenn sie aus der Masse heraus in einer Sportstätte verübt wird. Und sie muss geahndet, besser noch verhindert werden. Und wenn schon gegen jemand protestiert werden muss oder soll: dann doch gegen den DFB, der solche Konstrukte ermöglicht. Dieser ganze Sport Fußball, der uns leider dominiert und uns überall oktroyiert wird (auch en masse in der taz), hat ein massives Problem mit Respekt vor dem anderen – von der F-Jugend bis zur Bundesliga. Da kann die Marketingabteilung des DFB Aktiönchen starten, wie sie will. UDO J. EPPINGER, Aarbergen

Der Fan an sich

betr.: „Herr Hopp und der Hass“, taz vom 26. 4. 17

Der Fan ist aus seiner Veranlagung heraus keineswegs ein „mehr oder weniger moderat Hassender“, sondern ein mehr oder weniger moderat Liebender. Er „liebt“ nämlich „seinen“ Verein. Bei der Mehrzahl aller Fans geht das nicht mit Hass auf einen Gegner einher. Klar stimmt es, dass seit einigen Jahrzehnten die anderen in den Dreck gezogen werden. Aber gehört das deshalb dazu? Kriege gibt es auch schon ein wenig länger. Gehören sie deshalb dazu?

FRIEDHELM WENNING, Münster