konzert: Benjamin Moldenhauer über die „Fehlfarben“: Die Lieder besserer Tage
Peter Hein hat offenbar vor 37 Jahren schon geahnt, wo das alles enden wird. „Und wir tanzten bis zum Ende/ zum Herzschlag der besten Musik/ Jeden Abend, jeden Tag/ Wir dachten schon, das ist der Sieg“. Allerdings, es war nur eine Erinnerung des damals 23-Jährigen an wilde Zeiten: „Das war vor Jahren.“ Und die waren offenbar bereits vorüber, als „Monarchie und Alltag“ 1980 erschien. Das gesamte Album ist ein formvollendetes Zeugnis einer stilbildenden Haltung im Pop: jung sein, wenig Ahnung haben, aber mit Haltung und einer (im Fall von „Monarchie und Alltag“ verzweifelt-vital anmutenden) Energie überzeugend behaupten, dass man das Wesentliche begriffen hat. Und sich über die Welt deswegen stilsicher aufregen kann und muss.
Die Platte ist toll, immer noch. Letztes Jahr führten Fehlfarben „Monarchie und Alltag“ beim Düsseldorfer Lieblingsplatte-Festival auf. Die Idee, das Album wie ein singuläres Werk, Stück für Stück, aufzuführen, erschließt sich einem nicht unmittelbar. Man muss nicht gleich schwermütig werden ob der Vorstellung, einem inzwischen 60 Jahre alten Peter Hein dabei zuzuhören, wie er „Es liegt ein Grauschleier über der Stadt/ den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat“ singt. Die Historisierung von Punk ist in Deutschland spätestens seit Jürgen Teipels „Verschwende deine Jugend“ und der anschließenden „Zurück zum Beton“-Ausstellung in der Düsseldorfer Kunsthalle abgeschlossen, durch weitere Musealisierung lässt sich da nicht mehr viel kaputtmachen. Muss man sich halt mit abfinden, dass auch Bands, die einst auf dem – Zitat Fehlfarben – „Hier und Jetzt“ insistieren, genau so wenig ein Ende für sich finden wie alle anderen auch.
Hört man „Monarchie und Alltag“ heute, greifen zwei Eindrücke ineinander und widersprechen sich. Zum einen ist das Album heute im Ganzen, was „Das war vor Jahren“ damals bereits war: Erinnerung an eine Zeit, die man selbst nicht erlebt hat. Eine bessere: Deutschland war besetzt, es gab Sozialhilfe ohne Zwangsarbeit, deutscher Punk war noch nicht dumm, sondern lebendig und frei. Das waren die Voraussetzungen für elf Songs, in denen sich geradezu idealtypisch konzentrierte, was teenage angst und Verzweiflung in der Musik bedeuten können. Man will nach draußen und hat Angst: „Was ich haben will/ das krieg ich nicht / und was ich kriegen kann / das gefällt mir nicht.“ Bündiger und universal gültiger als in „Paul ist tot“ kann man das Schicksal von schief in die feindliche Welt gestellten jungen Menschen nicht auf den Begriff bringen. Peter Hein klang damals so überzeugend wie in Deutschland sonst nur der frühe Rio Reiser, da war eine Dringlichkeit in der Stimme, die spätere Epigonen simulieren, aber nicht reproduzieren konnten.
Wie das nun alles wird, man kann es im Vorfeld nicht sagen. Es bleibt jedenfalls der zehrende Verdacht, dass diese Stücke einst aus gutem Grund nicht für Menschen über 50 gedacht waren. Eigentlich schon nicht für Menschen über 30. Und dass die Regression in diesem Falle dem Geist der zelebrierten Platte kräftig widerspricht.
Konzert: Mittwoch, 3. Mai, 20.30 Uhr, Lagerhaus
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