ANGRIFFE IM GAZA-STREIFEN – DIE HAMAS RISKIERT EINEN BÜRGERKRIEG
: Bewegung muss die Waffen strecken

Die Ankündigung des Hamas-Führers von Gaza, Mahmud al-Sahar, die Angriffe gegen Israel aus dem Gaza-Streifen heraus einzustellen, kam überraschend. Sie zeigt, wie sehr die Hamas den Entwicklungen hinterherhinkt. Für Januar sind in Gaza und im Westjordanland nämlich Wahlen angesetzt, an denen die Hamas trotz des israelischen Widerstands teilnehmen wird. Sie scheint aber bisher nicht verstanden zu haben, dass der militärische Kampf in Gaza dem politischen weichen muss. Die Ankündigung von gestern ist also vielleicht ein erster Schritt zu einer dringend notwendigen Politisierung der Hamas in Gaza, ähnlich der Entwicklung der PLO im Laufe der letzten 20 Jahre.

Eben noch von der Bevölkerung und sich selbst dafür gelobt, den Besatzer vertrieben und Ruhe nach Gaza gebracht zu haben, hatte die Hamas am Wochenende zwei entscheidende Fehler begangen: Erst enttäuschte sie ihre eigene Bevölkerung durch eine vorgeschobene Behauptung, dann provozierte sie Israel zu einem Militärschlag, der in seinem Ausmaß, wie von Israel vor dem Abzug angedroht, nicht hinter dem Raketenbeschuss zurückstand.

Im Westjordanland ist die Situation anders, dort kann und wird der Kampf weitergehen. Doch Schläge, die im Westjordanland eingesteckt werden, dürfen nicht aus Gaza heraus vergolten werden. Soll Gaza trotz aller Schwierigkeiten eine Chance auf eine friedliche Gesellschaft haben, muss es aus diesem Kampf herausgehalten werden. Das heißt für die Hamas in Gaza, ihre Kraft den vorhandenen politischen und sozialen Strukturen zu widmen.

Zudem muss sich die radikal-islamische Hamas-Bewegung endlich daran gewöhnen, dass sie auch interne Kämpfe in Gaza mit der palästinensischen Autonomie-Behörde nicht mehr mit der Waffe austragen kann. Sonst riskiert sie, wie Palästinenserpräsident Abbas gestern den Hamas-Führer Maschal warnte, einen Bürgerkrieg. Einen solchen will niemand, vor allem nicht die Bevölkerung. Die versucht gerade, ihr Leben nach 38 Jahren israelischer Besatzung wieder in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken. MAURICE TSZORF