„Sie hat ihre Seele auf dem Platz gelassen“

TENNIS Darf Maria Scharapowa nach ihrer Dopingsperre mit einer Wildcard Tennis in Stuttgart spielen? Turnierdirektor Markus Günthardt sagt Ja

„Das Timing ist Schicksal“: Die Russin Scharapowa kehrt nach dem Meldoniumskandal zurück in den Tenniszirkus Foto: ap

Interview Jörg Allmeroth

taz: Herr Günthardt, wer hat entschieden, dass Maria Scharapowa eine Wildcard beim Grand Prix 2017 in Stuttgart erhält?

Markus Günthardt: Das ist eine Entscheidung, die in die Verantwortung des Turnierdirektors fällt. Und die auch vom Veranstalter, also der Porsche AG, gestützt ist und für richtig gehalten wird. Wir haben gute Argumente dafür und können die Erregung in der Tennisszene teilweise nicht nachvollziehen.

Was meinen Sie damit?

Es gibt also keine Extrawürste, keine Sonderbehandlung. Alles, was diesen Start von Maria Scharapowa betrifft, ist durch den Weltverband ITF und die Spielerorganisation WTA auch regeltechnisch abgesichert.

Viele Kolleginnen von Scharapowa beklagen die Wildcard-Vergabe. Waren Sie darüber erstaunt?

Teilweise schon, weil ich der Meinung bin, dass die Fakten nicht viel zählten bei dieser Kritik. Man muss klar festhalten, dass der Internationale Sportgerichtshof in seinem Urteil Maria Scharapowa nicht als Betrügerin bezeichnet, sondern festgestellt hat, dass sie einen schweren Fehler gemacht hat: einen Fehler, der ihr und ihrem Team nicht hätte passieren dürfen. Ich rechne ihr auch an, dass sie sich sofort hingestellt und gesagt hat: Ich habe da einen Fehler gemacht, ich übernehme die ganze Verantwortung dafür.

15 Monate Strafe enden nun genau vor dem Stuttgarter Turnier.

Das Timing ist Schicksal. Ich meine, dass es eine harte, empfindliche Strafe war für eine Top­athletin. Diese Strafe ist nun verbüßt, der Fehler gesühnt. Und daher kann und darf Maria auch wieder Tennis spielen.

Aber auch mit einer Wildcard, einem Freibrief?

Maria hat sich so große Verdienste für dieses Turnier erworben, dass wir ihr diese Wildcard aus gutem Grund geben. Sie hat das Turnier weltweit populär gemacht. Sie hat vier Mal bei uns gespielt und drei Mal gewonnen. Aber das Wichtigste: Sie hat hier jedes Mal in jedem Spiel ihre Seele auf dem Platz gelassen, hat die Fans begeistert und mitgerissen.

Haben Verkaufsargumente eine Rolle gespielt?

Wir müssen nicht Maria Scharapowa eine Wildcard geben, um kommerziell erfolgreich zu sein. Bestimmt nicht. Wir waren in diesem Jahr so früh ausverkauft wie nie zuvor, wir haben auch genügend Medienpräsenz.

Bundestrainerin Barbara Rittner sagte in einem Interview, jemand, der gedopt habe, solle wieder von ganz unten anfangen müssen und keine Wildcard erhalten.

Markus Günthardt

Foto: Archiv

Der 59-Jährige ist Turnierdirektor des Tennis Grand Prix in Stuttgart. Der Schweizer war früher selbst Profi.

Sie bezieht ihre Kritik ja auf Dopingfälle. Aber Scharapowa ist nicht als Betrügerin verurteilt worden. Für uns ist das der entscheidende Unterschied.

Befürchten Sie, dass die Turbulenzen rund um dieses Comeback die Atmosphäre beim Turnier nachhaltig belastet?

Nicht wirklich. Es gibt keineswegs nur Kritik an ihr. Es gibt auch Spielerinnen, die sich pro Scharapowa geäußert haben. Etwa die Schweizerin Timea Bacsinszky, die daran erinnert hat, wie viel Scharapowa für die Popularität des Frauentennis getan hat. Der Trubel und die Aufregung werden sich auch wieder legen.

Scharapowa war auch schon vor ihrer Sperre und dem jetzigen Comeback eine umstrittene, polarisierende Persönlichkeit im Tourbetrieb.

Sie ist nicht jemand, der Freundschaften sucht in seinem Beruf. Sie verbringt auch nicht den ganzen Tag auf der Turnieranlage. Sie fokussiert sich auf das Wesentliche, auf Siege. Sie handelt wie eine Unternehmerin. Das wirkt kühl, unnahbar, sogar arrogant auf andere Spielerinnen. Ich finde diese Mentalität aber sympathisch.