LESERINNENBRIEFE
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die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin | briefe@taz.de | www.taz.de/zeitungDie Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Wie ein Luftangriff im Krieg

betr.: „Volksentscheid Tegel kommt“, taz vom 5. 4. 17

Bisher hatte ich die Mailaktionen von Mehr Demokratie e. V. unterstützt, weil ich das Anliegen für sinnvoll halte. Dass sich der offensichtlich von TXL unbetroffene Vorstand von Mehr Demokratie aber jetzt für die Offenhaltung von Tegel engagiert, ist der Gipfel des Demokratiemangels und des Egoismus.

In Tegel, Wedding und Pankow herrschen unter der Einflugschneise Konditionen wie bei einem Luftangriff im Krieg: Täglich donnern 500 Maschinen im Zweiminutentakt in weniger als 1 Kilometer Höhe über die Köpfe Hunderttausender Menschen und verursachen weit über 50 bis 60 Dezibel. Die Außenflächen – Balkons, Parks, aber auch Straßenzüge – sind lärmverseucht. Draußen sein ist eine Qual, wenn die Flüge bei Schönwetterlage nach Osten starten. Die 7 Stunden Nachtflugverbot werden oft – zum Beispiel für Frau Merkels Staatsbesuche – gebrochen und reichen Erwachsenen und Kindern nicht für ein Mindestausruhen, um gesund zur Arbeit oder in Kita und Schule gehen zu können.

Vermutlich ist der Mehr-Demokratie-Vorstand noch nie am Kurt-Schuhmacher-Platz aus der U 6 ans Tageslicht gestiegen oder in Pankow durch die Breite Straße und den als Naherholungsgebiet akustisch völlig entwerteten Bürgerpark gegangen, was unmittelbar Hörschäden verursacht, sonst würden Sie nicht solchen Unfug verbreiten. Wer denken kann, weiß um die klimaschädliche Wirkung des Fliegens und liest das Luftverkehrskonzept des BUND für Berlin-Brandenburg, das riesige Vermeidungs- und Einsparpotenziale bei Flügen aufzeigt.

Und: Mal ein regionaler Bahnurlaub gefällig (auf der Schiene kommt man bequem ins unbekannte, nahe und sehr sehenswerte Osteuropa, wenn auch nicht nach Mallorca) – als ein Stück sozialverträglicher Lebensqualität? ULRIKE BICKEL, Pankow

Preußische Bürokraten

betr.: „Ohrfeige für Berliner Senat“, Leserbrief in der taz vom 15./16./17. 4. 17

Als Reiseveranstalter mit internationalen Gästen ist es schon peinlich genug, auf die Frage nach der Eröffnung von BER keine Antwort zu wissen. Mittlerweile ist weithin bekannt, dass die beiden Berliner Flughäfen dem heutigen Standard nicht mehr entsprechen. Man könnte aber versuchen, diese strukturellen Schwächen durch menschliche Serviceleistungen auszugleichen.

In Tegel passiert genau das Gegenteil. Statt freundlicher Mitarbeiter trifft man auf preußische Bürokraten, die es offensichtlich genießen, verwirrte ausländische Touristen zu schikanieren. Vor ein paar Tagen wurde eine australische Schülerin im Rahmen einer Gruppenreise nicht eingecheckt, weil ihr Vorname nicht richtig geschrieben war. Statt Hilfe zu leisten, wurde das Mädchen abgewiesen und mit einer Lehrerin ihrem Schicksal überlassen. Wir konnten für den nächsten Flug für teures Geld zwei neue Tickets online kaufen. Bei der Suche nach dem bereits eingecheckten Koffer der Lehrerin hat Tegel ebenfalls wieder auf voller Linie versagt. Beim Gepäckhandling geht einfach niemand ans Telefon. Es scheint, dass die Berliner Flughäfen, denn Schönefeld ist keinen Deut besser, und ihr Bodenpersonal noch einen weiten Weg vor sich haben. CLAUDIA PFEIFFER, Gröbenzell

Direkt von Lärm betroffen

betr.: „Ohrfeige für Berliner Senat“, Leserbrief in der taz vom 15./16./17. 4. 17

Thomas Henschke argumentiert in seinem Leserbrief zum Thema Tegel-Offenhaltung, dass Tegel schon deshalb offen bleiben müsse, damit nach Stilllegung von Tegel im Umfeld nicht die Mieten steigen. Die Aufwertung der entsprechenden Wohngebiete muss natürlich im Blick behalten werden und eine wirksame Mietbremse wird gebraucht. Das Argument an sich ist jedoch recht merkwürdig, es wird auch von Herrn Sebastian Czaja benutzt, der in der Immobilienbranche tätig ist und vorschlägt, Dachgeschosse auszubauen, statt den freiwerdenden Platz in Tegel für neue Wohnungen zu nutzen.

In Tegel sind über 300.000 Menschen direkt vom Lärm betroffen. Epidemiologische Studien zeigen, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Flughafengegenden signifikant häufiger sind. Menschen sterben wegen der permanenten Lärmbelästigung eher. Kleine Kinder lernen drei Monate später lesen usw. Es gibt dazu diverse Studien und Empfehlungen des Deutschen Ärztetags. Die Kosten für die Behandlung der Krankheiten bezahlt die Gemeinschaft. Aus der Sicht verantwortungsbewusster Politiker gibt es nur eine Lösung: Flughäfen gehören nicht in dicht besiedelte Gebiete. Das sah die CDU, als sie noch regierte, übrigens genauso. Dass nun so viele Berliner einen kürzeren Weg zum Flughafen wichtiger finden als die Gesundheit ihrer Mitbürger, finde ich sehr, sehr traurig. STEFAN MÜLLER, Berlin Pankow (Einflugschneise)