Portrait
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Menschelt nicht: Dortmunds Trainer Thomas Tuchel Foto: dpa

Der Anti-Klopp mit Matchplan

Thomas Tuchel fremdelt mit Borussia Dortmund. Man sah dies überdeutlich nach dem Bombenanschlag auf den BVB-Bus. Vereinschef Aki Watzke einigte sich rasch mit der UEFA auf den Termin am nächsten Tag für das Spiel gegen den AS Monaco. Tuchel gab zu Protokoll: „Wir fühlen uns komplett übergangen.“ Wir, das waren Trainer und Mannschaft. Übergangen in einer existenziellen Frage.

Watzke hätte einen neuen Termin wohl kaum über den Kopf von Jürgen Klopp, Tuchels Vorgänger, ausgemacht. Aber Klopp, Gefühlsbolzen und Kumpel, passte zu Watzke und zum Pott. Der Schwabe Tuchel hingegen menschelt nicht. Er ist Analytiker. Es ist kein Zufall, dass er den Begriff Matchplan in Deutschland heimisch machte. Matchplan heißt: Kontrolle.

Als Tuchel ein Sabbatical machte, traf er sich mit seinem Vorbild Pep Guardiola, der in Barcelona seinen Spielstil kreiert hatte: viel Ballbesitz, viel Kombinationen. Und immer Kontrolle. In der Guardiola-Welt ist der Trainer ein flexibler Kreativer, der für jeden Gegner die maßgeschneiderte Taktik entwickelt. So arbeitet Tuchel beim BVB – und manche im Club finden, dass er das Team damit überfordert.

Tuchels Fußballerkarriere scheiterte an Verletzungen, als er Mitte zwanzig war. In den 90ern arbeitete er als Barkeeper und studierte Betriebswirtschaftslehre. Und wurde doch Trainer. Fünf Jahre bei Mainz 05, dann der Großclub BVB, Umsatz 340 Millionen Euro. Eine andere Gewichtsklasse.

Am letzten Dienstag saß Tuchel in dem Bus unweit einer Scheibe, die von Metallstiften getroffen wurde. BVB-Präsident Reinhard Rauball rechtfertigte die nassforsche Ansetzung des Monaco-Spiels 22 Stunden später mit den Worten, dass „Profis so was wegstecken“. Tuchel widersprach knapp mit dem Satz, dass Profis für sportliche Probleme Lösungen finden. Doch der Anschlag „ist uns als Menschen widerfahren“. Es gibt nicht viele Trainer, die ihrem Präsidenten so in die Parade fahren.

Beim Rückspiel heute Abend in Monaco ist der BVB nach dem 2:3 im Hinspiel fast chancenlos. Es sei denn, Tuchel, der Perfektionist, hat einen besonders raffinierten Matchplan ausgetüftelt.

Stefan Reinecke