LeserInnenbriefe
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Wohlstand in Dänemark

betr.: „Arbeit in Dänemark fast zehnmal so teuer wie in Bulgarien“, taz vom 7. 4. 17

Diese Meldung wäre mindestens einen Kommentar wert, belegt sie doch die Haltlosigkeit der Agenda und anderer neoliberaler Theorie, wonach wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand nur über eine weitreichende (Lohn-)Kostensenkung zu erzielen sei. Obwohl an Ressourcen arm, pflegt Dänemark seit eh und je ein Lohn- und Preisgefüge, in dem nach Auskunft meiner ehemaligen Studenten eine Kassiererin mehr verdient als ein Jungingenieur in Deutschland, andererseits Lebensmittel und Dienstleistungen ordentlich honoriert werden.

In der Folge findet sich dort kein Prekariat, dafür ein wesentlich gleichmäßigerer Wohlstand als in Deutschland. Wo bleibt die Offenheit deutscher Politiker, einmal über die Grenze zu schauen zu einem Nachbarland, das in der Liste der glücklichsten Menschen regelmäßig ganz vorne zu finden ist? Ein spezifisches Element dänischer wie allgemein skandinavischer Politik, das sicher auch zu dieser Zufriedenheit beiträgt, ist das Recht der Kommunen zu einem von ihnen bestimmbaren Anteil an der Einkommensteuer, verbunden mit weitreichenden Befugnissen und Verpflichtungen. Nachhaltige Investitionen und Aktivitäten werden so auf einer überschaubaren Fläche gestaltet und von den Bürgern als eigenes Wollen empfunden und unterstützt. Eine würdelose Sozialpolitik etwa kann sich innerhalb solcher Fast-Nachbarschaften von vornherein nicht festsetzen.

ARNO GAHRMANN, Osterholz-Scharmbeck

In der deutschen Hartz-Matrix 4.0

betr.: „Mehr Hilfe für die Abgehängten“, taz vom 11. 4. 17

Irgendwann wird es womöglich billiger sein, die Überflüssigen (dank Industrie 4.0 so ungefähr 50 bis 80 Prozent der bisherigen Erwerbsbevölkerung) im künstlichen Koma mit bioelektronisch ins Gehirn eingespeister Realitätssimulation in der Matrix zu parken ... Richtiges Leben ist dann nur noch etwas für eine kleine Elite – allerdings wird sich für den Rest die Simulation auch wie richtiges Leben anfühlen. Vielleicht wird es ja ein Angebot ganz unterschiedlicher Matrixwelten geben, unter denen der einzelne Überflüssige dann auswählen kann. Für mich dann bitte immerwährendes Hippie-Highlife im Kabul der späten 1960er!

Yadgar auf taz.de

ABM war das kleinere Übel

betr.: „Mehr Hilfe für die Abgehängten“, taz vom 11. 4. 17

Ich habe ABM- Stellen in Erinnerung, die für Kommunen so wichtig waren, dass der Betrieb nur durch diese aufrechterhalten werden konnte: billige Kommunalarbeiter mit jährlich befristeten „Arbeitsverträgen“, die mit Grünanlagenpflege, Müllbeseitigung, Winterdienst, Jugendpflege, Museumsbetrieb etc. betraut waren. Ich kannte keinen ABMler, der mit Teddybären- oder Puzzle-Recycling bedacht wurde. Ein Bekannter hatte eine ABM-Stelle, bei der er auf dem Lkw den Winterdienst im Tag- und Nachtbetrieb aufrechterhielt. Die Kassen der Kommunen waren leer, sind es heute noch, und es waren/sind eigentlich reguläre Kommunalstellen, die heute mit 1-Euro-Jobs kompensiert werden.

Ich lebe in Ostdeutschland, und das Problem sind die ewig prekären öffentlichen Haushalte, die die Überführung in reguläre Stellen verhindern. Da wird der kommunale Anteil zur Finanzierung des Arbeitslosengeldes II zur billigen Apanage an das Prekariat. Ich schreibe über ostdeutsche Verhältnisse; doch die Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit ist zum großen Teil eben auch eine ostdeutsche, und da war die besser bezahlte ABM schon mal das kleinere Übel. 1-Euro-Jobs sind einfach abartig – genauso, wie diese Menschen zu Hause einfach eingehen zu lassen.

ANAMOLIE auf taz.de

Die Demokratie, die wir meinen

betr.: „Fortschritt nur bei Einigung“, taz vom 11. 4. 17

„Alle, die eine Zukunft Syriens unter Assad nicht mehr für möglich halten, sollten die Zuversicht haben, dass eine Mehrheit Assad bei freien Wahlen eine klare Niederlage bereiten würde.“

Das ist die Demokratie, die wir meinen! Danke, Andreas Zumach.

Vielleicht möchte Baschar al-Assad auch lieber wieder Arzt in London werden? Ein ganz toller Kommentar. Auch die Einbindung der UNO ist wichtig und gelungen. Es kann doch nicht sein, dass die Problemlösung der Nato übergeben wird. Nein, die Nato kann nur Gewalt – und Gewalt schafft neue Probleme. Zur Problemlösung wurden die Charta der Menschenrechte und die UNO geschaffen; sie zu stärken ist die Aufgabe der Zukunft. Es kann aber nicht sein, dass Veto-Mächte sich über den Grundgedanken der UNO stellen können. Dann lieber die UNO-Generalversammlung gegenüber dem UNO-Sicherheitsrat (dominiert von den Veto-Mächten) stärken. Auf jeden Fall die UNO wieder handlungsfähig und relevant machen. NORBERT VOSS, Berlin

Anarchische Staatsbeziehungen?

betr.: „Ein völkerrechtswidriger Angriff“, taz vom 9. 4. 17

Wenn Sie die Beziehungen zwischen den Staaten als „anarchisch“ bezeichnen, kann es auch kein Recht geben, auf das man sich berufen kann. Ergo gibt es auch keine rechtliche Rechtfertigung für den Angriff auf Syrien durch die USA. Die USA haben also rechtlos in einer rechtlosen Welt gehandelt, und Assad muss sich nicht um ein etwaiges Verbot von Chemiewaffen kümmern. In gewisser Hinsicht haben Sie da „recht“.

Ich könnte Ihnen die UNO nennen, aber das ist eine Quasselbude, stimmt’s? SANDOR KRASNA auf taz.de