Rechte Doppelspitze

WARSCHAU taz ■ „Mein Bruder Lech ist der wichtigere“, sagt Jarosław Kaczyński, 56, und streicht sich die Tolle aus der Stirn. Wenig später sagt Lech Kaczyński, 56, das Gleiche über seinen Bruder Jarosław. Und auch er streicht sich die Tolle aus der Stirn. Das Spielchen „wer ist wer“ kennen die Polen schon seit Jahren. Denn das Zwillingspaar ist kaum auseinander zu halten. Jetzt streben die beiden aktiven Politiker nach der höchsten Macht im Staate. Jarosław, Parteivorsitzender der rechtspopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), hat gerade die Parlamentswahlen in Polen gewonnen und will Regierungschef werden. In zwei Wochen startet sein Bruder Lech, derzeit Oberbürgermeister Warschaus, in den Präsidentschaftswahlen. Seine Chancen sind gar nicht schlecht. Umfragen zufolge steht er an zweiter Stelle.

Die Brüder Kaczyński sind seit ihren Kindertagen ein bekanntes Gespann. Zuerst machten sie als Schauspieler im berühmten Kinderfilm „Die beiden, die den Mond stahlen“ auf sich aufmerksam. Während des Kommunismus war Jarosław Kaczyński ein Dissident und Solidarność-Aktivist. In den 80er-Jahren gehörte er zu den wichtigsten Beratern der Gewerkschaftsführung, die 1989 erheblichen Anteil am Sturz der Regierung hatte.

Inzwischen sind die Zwillinge zu strammen Law-and-Order-Verfechtern geworden. Sie wollen nun in Polen für eine „moralische Revolution“ sorgen und „Anständigkeit“ ins öffentliche Leben bringen. Geplant ist eine „Vierte Republik“. Polen soll keine parlamentarische Republik mehr sein, sondern eine Präsidialrepublik nach amerikanischem Vorbild. Nur so seien „Recht und Gerechtigkeit“ durchzusetzen, meinen die Kaczyńskis.

Was Anstand ist, wissen die Zwillinge ganz genau. So wurde Lech Kaczyński vor kurzem weit über die Grenzen Polens berühmt oder besser berüchtigt, als er eine Schwulenparade verbot, wenig später aber einen Marsch der sexuellen Normalität von Skinheads erlaubte. Dass man auf Warschaus Straßen permanent mit Bordell-Angeboten belästigt wird, hat Kaczyński hingegen bislang nicht größer gestört. Die Zwillinge bedauerten allerdings, dass man wegen der EU-Mitgliedschaft nicht mehr die Todesstrafe in Polen verhängen könne. GABRIELE LESSER