Der Sejm rückt nach rechts

Law and Order im Aufwind: Die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit hat das Rennen gemacht

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

Seit Wochen und Monaten sahen die Wahlumfragen in Polen immer wieder zwei Parteien als Sieger: die liberale Bürgerplattform (PO) und die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Jan Rokita (46), Spitzenkandidat der Liberalen, übte sich schon in staatsmännischen Posen und gab seinem Englisch in Oxford den letzten Schliff. Doch am Sonntag knallten nicht bei den Liberalen die Korken, sondern bei den Rechten. Jarosław Kaczyński (56) trat ans Mikrofon und feierte den Sieg, als könne er es selbst kaum fassen: „Es sieht so aus, als hätten wir diese Wahlen gewonnen.“

Das endgültige Wahlergebnis wird erst heute Abend feststehen, dennoch stehen die Sieger und Verlierer der Wahl nach der Auszählung von fast 60 Prozent der abgegebenen Stimmen schon fest: Mit knapp 27 Prozent hat PiS das Rennen gemacht. Knapp dahinter liegt die Bürgerplattform mit gut 24 Prozent. Drittstärkste Partei im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, wird künftig die linkspopulistische Selbstverteidigung (Samoobrona) des Bauernrebellen Andrzej Lepper, 51, sein. Großer Verlierer ist das postkommunistische Bündnis der demokratischen Linken (SLD), das von mehr als 40 Prozent bei den Wahlen 2001 auf knapp 12 Prozent abstürzte. Dennoch lagen sich auch hier die Politiker freudestrahlend in den Armen. Denn manche Umfragen hatten die Partei an der Fünfprozenthürde scheitern sehen. Mit knapp 8 und 7 Prozent haben es auch die rechtsradikale Liga der polnischen Familie (LPR) und die traditionelle Bauernpartei PSL wieder in den Sejm geschafft.

Weit abgeschlagen und unter der Fünfprozenthürde landete die Reformlinke, die sich im März vom korrumpierten Bündnis der demokratischen Linken abgespaltet hatte. Anders als der SLD fehlten ihr die landesweite Parteistruktur und die Stammwähler aus alten Zeiten. Zum zweiten Mal hintereinander verloren hat hingegen die liberale Freiheitsunion, die diesmal unter dem Namen „Demokraten“ antrat. Die Wahlbeteiligung erreichte mit knapp 40 Prozent ein Rekordtief.

Zwar könnten die Koalitionsverhandlungen zwischen der konservativen PiS und der liberalen PO sofort beginnen. Doch der PiS-Spitzenkandidat Jarosław Kaczyński will erst nach der Präsidentenwahl am 9. Oktober entscheiden, ob er tatsächlich das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt. Der Grund: Bei der Präsidentenwahl startet sein Zwillingsbruder Lech Kaczyński – mit durchaus guten Chancen auf einen Sieg. Sollte also sein Bruder Lech die Wahl zum Präsidenten Polens gewinnen, will Jarosław auf das Amt des Regierungschefs verzichten. Damit will er der Welt zwei gleich aussehende Männer an der Spitze von Polens Staat und Regierung ersparen.

Umfragen zufolge hat allerdings Donald Tusk, 48, von der PO die Nase vorn. Anders als die beiden Kaczyński-Brüder setzt Tusk in der Außenpolitik weniger auf Konfrontation denn auf Dialog. Als die Präsidentschaftskandidaten am Sonntagabend gefragt wurden, wohin sie ihre erste Auslandsreise machen würden, meinte Lech Kaczyński: „In die USA. Das ist unser wichtigster strategischer Partner“, Donald Tusk hingegen: „Nach Deutschland und Frankreich. Unsere Zukunft liegt in Europa.“