Tausendmal berührt

Märkte Wieder ist nichts passiert: Die Deutsche Börse scheitert erneut mit einer Fusion. Damit wird eines der Risiken für eine neue Finanzkrise immerhin nicht größer

Hinter Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse, rauschen die Kurse Foto: Boris Roessler/dpa

vonIngo Arzt

BERLIN taz | Wie Finanzmärkte funktionierten und wie sie ihre Produkte handelten, das sei eine Wissenschaft für sich. So schreibt es EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in ihrer Begründung, warum sie die Fusion der Deutschen Börse mit der Londoner Stock Exchange Group gestern untersagt hat.

Ein bürgernaher Satz, der in der simplen Begründung endete: „Die Fusion hätte de facto zu einem Monopol geführt.“ Brüssel fügt damit der unendlichen Geschichte der Fusionsversuche der Deutschen Börse ein weiteres hinzu. Bereits 2000 und 2005 wollten sich der Londoner und der Frankfurter Finanzplatz zusammentun. 2004 scheiterte die Übernahme der Schweizer Börse SWX, 2006 eine Fusion mit der Borsa Italiana sowie der Börse Euronext, die wird dafür von der New Yorker NYSE geschluckt; beide im Paket zu übernehmen scheitert 2008 und erneut 2012.

Der Grund für die Fusionswut ist simpel: einen Finanzplatz zu betreiben ist lukrativ, die Börsen sind existenziell für den globalisierte Kapitalismus, der hier die Infrastruktur findet, um Geschäfte abzuwickeln. Die Deutsche Börse macht ebenso absurd hohe Gewinne wie die Intercontinental Exchange, Betreiber der NYSE, und die London Stock Exchange Group.

Die geplante Fusion zwischen Frankfurt und London war zuletzt wegen des Brexit verzögert. Gescheitert ist sie nun an den Londonern, die sich weigerten, ihre Mehrheitsbeteiligung an der italienischen Handelsplattform MTS aufzugeben. Das war die Bedingung der EU-Kommission für die Fusion.

Zwar hatten die potenziellen Fusionspartner der Kommission einen alternativen Plan vorgelegt, allerdings zu Mitteln gegriffen, die den Wettbewerbshütern überhaupt nicht gefielen: „Die Parteien haben ihre Maßnahmen erst wenige Minuten vor Ablauf unserer Deadline abgeschickt“, schreibt die Kommission.

Vor allem wäre es zu einer Monopolisierung bei sogenannten Clearinggesellschaft gekommen. Die haben seit der Finanzkrise 2008 eine immer wichtigere Rolle gespielt. Experten des Financial Stability Board sehen darin eine mögliche Ursache für einen Crash. In der Gruppe sind Aufsichtsbehörden rund um den Globus organisiert.

„Die Fusion hätte de facto zu einem Monopol geführt“

EU-Kommission

Clearinggesellschaft sind die Mittler zwischen zwei Parteien, die Finanzmarktprodukte handeln und lagern diese quasi zwischen. Sie garantieren das Finanzprodukte geliefert werden und die andere Seite auch zahlen kann. Wie Ebay mit Versicherung.

Allein in Europa sicherten diese Clearinggesellschaft 2016 Geschäfte im Wert von 3,4 Billionen Euro ab. Sollte eine davon pleitegehen, könnten wichtige Teile der Finanzmärkte nicht mehr funktionieren, was Panik auslösen könnte. Die gescheiterte Fusion stellt nun auch sicher, dass die Verantwortung für die Gesellschaften in Europa nicht bei einem Unternehmen konzentriert ist. Jetzt bleiben es zwei.

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