Streit um Gaspreis

VON NICK REIMER

Das Bundeskartellamt hat gestern die Verhandlungen mit den Gasversorgern abgebrochen. Ohne Einzelheiten nennen zu wollen, erklärte die Wettbewerbsbehörde, dass die Schuld des Scheiterns allein bei Eon Ruhrgas liege. Bei dem Streit geht es um Lieferverträge der Ferngas-Unternehmen, die dem Kartellamt zu langfristig sind und deshalb als „Abschottung des Marktes betrachtet“ werden müssten. Das Kartellamt fordert eine weitere Öffnung des Gasmarktes. Sie könnte die Zukunft der deutschen Gaswirtschaft verändern.

Zum Beispiel die der Stadtwerke Hamm: Die haben gerade den Grundstein für ein ganz modernes GuD-Kraftwerk gelegt. GuD bedeutet Erdgas und Dampf, aus denen Strom und Heizwärme hergestellt werden. Weil die Abwärme eben nicht wie beim Atomkraftwerk in die Umwelt abgegeben, sondern noch genutzt wird, ist der Wirkungsgrad konkurrenzlos hoch. „Derzeit die klimafreundlichste Form, fossile Energieträger zu verbrennen“, sagt Stadtwerke-Sprecher Alexander Tillmann. 450 Millionen Euro investieren die Stadtwerke in das 800-Megawatt-Kraftwerk, das in zwei Jahren 800.000 Menschen versorgen wird. Den Brennstoff liefert Eon Ruhrgas. Der Liefervertrag läuft über zehn Jahre. Zu lang, meint das Kartellamt.

„Man muss zwischen zwei Vertragskategorien unterscheiden“, erläutert Marian Rappl vom Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft BGW. Kategorie 1 sind Einkaufsverträge: 15 deutsche Gasimporteure schließen sie mit einem der sieben weltweit agierenden Erdgasproduzenten. Kategorie 2 sind Verkaufsverträge, nämlich zwischen diesen 15 Importeuren und den gut 1.300 deutschen Stadtwerken.

„In der Gaswirtschaft gibt es auf der Produzentenseite eine Extremsituation“, sagt Marion Danneboom von den Stadtwerken Leipzig. Die Investitionen in Erkundung und Erschließung neuer Felder seien extrem hoch – und würden mit zunehmender Verknappung immer teurer. „Die sieben Erdgasproduzenten sichern sich eine Amortisierung dieser Extreminvestition über Langfristverträge ab“, so Danneboom. Meint also Kategorie 1: 30 bis 40 Jahre Lieferzeitraum sind in der Branche Usus. Um die geht es Kartellamtschef Ulf Böge nicht. Ihm schwebt für die Kategorie 2 ein Kurzfristmodell vor. BGW-Experte Marian Rappl: „Vertragsdesign 1: Laufzeit 2 Jahre; 80 Prozent des benötigten Gases werden vom Anbieter A eingekauft, der Rest von B. Vertragsdesign 2: Laufzeit 4 Jahre, je die Hälfte von A und B.“ Böge will so mehr Wettbewerb organisieren.

Die Union findet diesen Vorstoß gut. Hartmut Schauerte, mittelstandspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, fordert Böge deshalb gestern auf, alle rechtlichen Möglichkeiten „sehr konsequent“ zu nutzen. Und tatsächlich drohte das Kartellamt Untersagungsverfügungen an: Die 15 Importeure sollten so zu kürzeren und flexibleren Konditionen gezwungen werden.

Doch dieser Vorstoß könnte genau das Gegenteil bewirken. „Die Bezugsverträge sind so genannte Take-or-pay-Verträge“, erläutert Rappl. Bedeutet: Kann Eon Ruhrgas nicht so viel Gas absetzen wie im 40-Jahres-Liefervertrag vereinbart, muss es trotzdem die vereinbarte Menge bezahlen. Dass das Unternehmen solche Unsicherheiten in Kurzfristverträge „einpreisen“ müsse, sei klar. „Natürlich werden mittels Langfristverträgen günstigere Preise erzielt“, glaubt auch Leipzigs Stadtwerke-Sprecherin Danneboom. „Schließlich garantieren die sowohl dem Produzenten als auch dem Händler eine größere Investitionssicherheit.“

Zum Beispiel Eon Ruhrgas und die Stadtwerke Hamm. Um das neue GuD-Kraftwerk mit Brennstoff zu versorgen, baut Eon Ruhrgas eine 30 Kilometer lange Gasleitung nach Hamm. Stadtwerke-Sprecher Tillmann: „Diese Millionen investieren die natürlich nur, weil wir 10 Jahre lang ihr Kunde sind.“

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