Abfuhr für Demokratie in Polen
: KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER

Das Ergebnis der Wahlen zum polnischen Parlament hat die düsteren Erwartungen, die die Umfragen nahe legten, noch übertroffen. Die polnische Sozialdemokratie, geschwächt durch Korruptionsskandale, Spaltungen und eine desaströse Bilanz in Sachen Arbeitslosigkeit und Massenarmut, ist abgestürzt. Wahlsieger wurde die rechtsnationalistische Partei „Recht und Gerechtigkeit“, die zusammen mit der konservativ-neoliberalen Bürgerplattform die Regierung bilden wird.

Ist das nur die für Wahlen in Polen charakteristische summarische Abstrafung der jeweiligen Regierungspartei nach vier Jahren? Keineswegs. Zum einen zeugt die Wahlbeteiligung von knapp vierzig Prozent von einer Abwendung der Wählerschaft von der „politischen Klasse“, worin sich nicht nur sozialer Protest, sondern auch Abwendung von den demokratischen Institutionen ausdrückt. Zum Zweiten aber werden im neuen Parlament mit der „Selbstverteidigung“ und der „Liga der polnischen Familien“ zwei weitere rechtspopulistische Parteien vertreten sein, Letztere mit eindeutig antisemitischer Grundierung. Das Parlament wird also, was demokratische Rechte und den Minderheitenschutz anlangt, von einer reaktionären Grundstimmung durchzogen sein.

Die Partei „Recht und Gerechtigkeit“, deren Vorsitzender Jarosław Kaczyński Kandidat für das Amt des Premiers der Koalition ist, hat die Wähler mit einem Strauß sozialer Versprechungen geködert, was sie in einen Dauerclinch mit den Neoliberalen der Bürgerplattform verwickeln wird. In der Außenpolitik hingegen zeichnet sich eine Übereinstimmung ab: eine starre „Polen zuerst“-Linie, Ablehnung aller Versuche, den EU-Integrationsprozess in demokratischer wie sozialer Hinsicht zu vertiefen, Bündnistreue zu den USA. Diese Linie könnte auch der neoliberal-konservative Donald Tusk, aussichtsreicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen der nächsten Woche, nicht kippen. Für das gebeutelte polnisch-deutsche Verhältnis wie für einen neuen Anlauf zur Europapolitik ziehen schwere Zeiten herauf. Jetzt sind vor allem die zivilgesellschaftlichen Kräfte aufgerufen, die beiderseits der Grenze und jenseits nationalistischer Demagogie für Verständigung arbeiten.