LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Großkraftwerke abregeln

betr.: „Wie man Windparks intelligent macht“, taz vom 31. 3. 17

Dass Braunkohle-, Steinkohle- und Atomkraftwerke das Stromnetz stabilisieren, ist eine Mär, weil der Stromverbrauch sich ständig verändert und mittags in der Regel etwa doppelt so hoch ist wie in der Nacht. Die genannten Großkraftwerke sind viel zu träge, den schnellen Verbrauchsänderungen zu folgen, außerdem nimmt die Lebensdauer der großen Turbinen und Generatoren bei Lastwechseln stark ab, daher werden sie möglichst durchgehend mit voller Last betrieben.

Bisher nutzt man lediglich ihre Trägheit, um für die kleineren Kraftwerke die Netzfrequenz vorzugeben, aber ohne permanente Last würden sie sich und das Netz destabilisieren. Denn da es nach wie vor noch keine größeren Speicher gibt, müssen Mittellast- und Spitzenlastkraftwerke die Differenz zwischen der Grundlast und dem tatsächlichen Strombedarf ausgleichen.

Diese Regelenergie ist übrigens in den letzten Jahren trotz zunehmender Wind- und Solarenergie-Einspeisung teilweise gesunken, weil die Photovoltaik immer um die Mittagszeit am meisten Strom liefert und damit (bei Sonnenschein) die Mittagsspitze ganz gut abdeckt. Was leider auch dazu geführt hat, dass einige Speicherkraftwerke außer Betrieb genommen wurden, weil sich ihr Betrieb nicht mehr rechnete.

Die Steuerung der Kraftwerke wird immer noch weitgehend zentral von den jeweiligen Netzbetreibern vorgenommen, was den Vorteil hat, dass sie durch geschickte Auswahl der freien Kraftwerke mit den jeweils geringsten Grenzkosten („Merit Order“), die Kosten für die Stromerzeugung minimieren konnten. Für die Umwelt ist das aber schlecht, da die billigsten Grundlastkraftwerke die größten Dreckschleudern sind und statt derer immer öfter Windparks abgeregelt werden.

Die ersten Windkraftwerke waren nicht regelbar. Inzwischen haben sich aber Pitch-Systeme und elektrische Umrichter durchgesetzt, weil die Anlagen damit einen besseren Wirkungsgrad und bessere Erträge erreichen. Die Umrichter ermöglichen auch Netzdienstleistungen wie die Erzeugung bzw. Kompensation von Blindleistung nach Vorgabe der Netzbetreiber, insbesondere bei größeren Windparks. Allerdings nutzen Letztere das aus, um ihre alten Großkraftwerke zu schonen und den Einspeisevorrang der Erneuerbaren zu untergraben.

Die Herausforderung für die Zukunft ist es, Überschüsse an einer Stelle dorthin zu übertragen, wo erneuerbarer Strom fehlt. Dazu müssen vor allem die Stromnetze flexibler und zuerst die alten Großkraftwerke abgeregelt werden. Aber das tun die Netzbetreiber nicht freiwillig, obwohl sie derzeit damit auch kaum noch Geld verdienen. Ändern wird sich das vermutlich erst, wenn die Fossilen endlich mit ihren gesamten Folgekosten für die Umwelt durch eine Abgabe auf jede Kilowattstunde belastet werden. WERNER BEHRENDT, Oldendorf

Hupe und Spiegel am Lenker

betr.: „Vibrationen am Lenker“, taz vom 5. 4. 17

Es ist anzunehmen, dass Herr Görges tatsächlich vom Nutzen dieser überflüssigen Vibrationstechnik überzeugt ist. Wenn der Professor behauptet, „es könnten 50 Prozent der typischen (?) Radunfälle vermieden werden“, befürchte ich, dass es dafür keine wissenschaftliche Grundlage gibt. Wenn nun noch das Tragen von Helmen empfohlen wird, reduziert sich das Verletzungsrisiko abermals um 50 Prozent und Fahrradfahren wäre dann zu 100 Prozent sicher. Oder?

Als Vertreter der Generation Bonanzasattel kann ich nur feststellen, dass es eigentlich schon alles gab: Rückspiegel und Hupe am Lenker sorgten zwar nicht für mehr Sicherheit, sahen aber cool aus. Der Bierdeckel in den Speichen warnte unvorsichtige FußgängerInnen und das Fehlen von Stoßdämpfern war ein ideales System zum Erzeugen von Vibrationen. Der unreflektierte Einsatz von technisch Machbarem führt noch mehr zur Verblödung unserer Gesellschaft, weil die einfachsten Dinge einer technischen Aufsicht überlassen werden. Schlaglochwarnung! Frontkollisionswarnung! Das ist für mich kein Fortschritt, sondern Geschäftemacherei. SIEGFRIED MEISWINKEL, Meddersheim

No border – no nation

betr.: „Flagge zeigen?“, taz vom 5. 4. 17

Flaggen symbolisieren Grenzen! Und genau dort beginnt das Problem. Mit dem guten alten Spruch „No border – no nation“ ist die „Beleuchtungsproblematik“ am Brandenburger Tor auf den Punkt gebracht. Wenn wir die schrecklichen Momente des Terrors und des Todes obendrein noch mit Flaggen untermauern, manifestieren wir die Grenzen immer wieder, dabei sollten wir uns doch mit den Menschen – unabhängig von ihrer Nationalität – solidarisch zeigen. STEPHANIE KÖNIG, Kaltenkirchen