LeserInnenbriefe
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Der Glaube ans System

betr.: „Heimat ist eine Behauptung“, taz vom 25. 3. 17

Dank an die taz und Olga Grjasnowa für dieses von der ersten bis zur letzten Zeile lesenswerte Interview! Die taz fragt: „Gibt es Momente, in denen Sie sich besonders deutsch fühlen?“ Olga Grjasnowa antwortet: „Wenn der Bus nicht kommt. Der Glaube daran, dass das System tatsächlich funktioniert, das ist sehr deutsch.“

Busverspätung! Haha! Es bedarf eines wachen und scharfen Geistes, um anhand einer Trivialität so tief und mehrschichtig zu schürfen. Wir glauben (!) an das Funktionieren des Systems. Ein flächendeckender nur eintägiger Stromausfall würde diesen Glauben arg auf den Prüfstand stellen.

Im übrigen stimme ich den Aussagen über den leidigen Begriff „Migrationshintergrund“ und die Praxis in deutschen Auslandsvertretungen voll zu. Ersterer ist ein Instrument von Diskriminierung, Letztere ein Aspekt ihrer Umsetzung. Der interessierte Leser möge versuchen, in der deutschen Botschaft in Amman oder Beirut einen Termin für Nichtdeutsche zu buchen! Es gibt keinen – nicht heute, nicht morgen, nicht in drei Monaten. Und niemand kann mir weismachen, dass dies nicht politisch gewollt ist. Die Sache mit der Würde des Menschen (§ 1 Grundgesetz) hat keinen Gesetzescharakter und ist zu einer unverbindlichen Empfehlung verkommen. Man kann sie anwenden oder auch nicht, je nachdem, wie es opportun ist. JENS BÖHLING, Hitzacker

Kramp-Karrenbauers Schulden

betr.: „Die kritiklose Begeisterung ist vorbei“, taz vom 27. 3. 17

Dass die alte und neue saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (kurz AKK) Finanzminister Wolfgang Schäuble „Hunderte Millionen Euro aus dem Kreuz geleiert“ hat, dürfte wohl ihre einzige Leistung der letzten Jahre bleiben.

Sie wird diese 500 Millionen pro Jahr (ab 2020) auch dringend brauchen, um all die Schulden abzustottern, für die sie in diversen Funktionen verantwortlich beziehungsweise mitverantwortlich war und ist: Meeresfischzuchtanlage in Völklingen, Mords-Dino-Show Gondwana, Vierter Pavillon des Saarlandmuseums, HTW-Bau ohne Feuerschutz. Es werden höchstwahrscheinlich hinzukommen: die Kosten für den völlig überteuerten und dilettantisch geplanten Umbau des Ludwigparkstadions in Saarbrücken und das irrsinnige Projekt „Stadtmitte am Fluss“, das wieder aus der Schublade – wo es endgültig hingehört – gezogen wird.

GÉRARD CARAU, Beckingen

Soziale Katastrophe in Ostafrika

betr.: „Dürre und Gewalt“, taz vom 17. 3. 17

Der Artikel verwendet den Namen Massai durchgängig für nilotische Nomadenstämme in Ostafrika. Das ist verwirrend, da die Massai nur eine südlicher lebende Untergruppe darstellen; hier handelt es sich um eine kleine Ethnie, die Njemps, die Viehhüter und Fischer sind. Die Pokot werden im Artikel als aggressiv-expansionistischer Stamm dargestellt. Das ist problematisch: Durch die weiße Kolonisierung, die ja mit Landraub verbunden war, hat dieser Stamm etwa fünfzig Prozent der Weideflächen eingebüßt, wurde zu einer Ethnie herabgewürdigt, die nur Soldaten für die britische Armee zu liefern hatte, wurde postkolonial marginalisiert, und erst Ende der 70er Jahre gab es einen ersten Akademiker in einem Stamm mit heute etwa hunderttausend Mitgliedern.

Alle im Artikel beschriebenen Maßnahmen werden im Grunde seit etwa vierzig Jahren von Regierungsseite und Großprojekten der Entwicklungshilfe den Nomaden Nordkenias ohne genaue Prüfung der ökologischen und sozialen Folgen verschrieben. Insbesondere die Privatisierung des kommunalen Landes erwies sich dabei als eine soziale Katastrophe, da damit ein schwunghafter Landhandel der einflussreichsten Stammesmitglieder und eine weitere Verringerung der Weidefläche einhergeht. Nur Maßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit, der Schutz von Reserveweiden und eine eigenständige Minimierung des Viehbestandes statt staatlichen Ankaufs zu schlechten Preisen sowie eine selbstbestimmte Umstellung der Herden – weg von Rindern zu Ziegen und Kamelen – hat sich bisher bewährt.

ANDREAS SPAETH, Leun

Verunglückte Überschrift

betr.: „Ausgegrenzte Helden“, taz vom 28. 3. 17

Der Artikel über muslimische Flüchtlingshelfer war informativ – nur die Zweitüberschrift „Die meisten Flüchtlingshelfer*innen sind muslimisch“ ist leider verunglückt, weil grob falsch. In Deutschland sind selbstverständlich die meisten der Helfenden keine Muslime. Die Überschrift beruht wohl auf der Statistik, dass 44 Prozent der Muslime und nur 17 –21 Prozent der Nichtmuslime helfen. Da es aber nun doch relativ wenige Muslime in Deutschland gibt, ist damit eben nicht die Mehrheit der Helfenden Muslime. Wenn 90 Prozent der Blinden eine Sonnenbrille tragen, sind dennoch nicht die meisten Sonnenbrillenträger blind – klar geworden? Danke!

SILKE KARCHER, Berlin

Keine Nierenwitze bitte!

betr.: „Frank-Walter Steinmeier: Die Hagebutte unter den Bundespräsidenten“, taz vom 22. 3. 17

Frank-Walter Steinmeier hat seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere gespendet. Damit sind beide gesundheitlich erheblich beeinträchtigt. Behinderungen von Menschen zum Gegenstand einer öden Glosse zu machen ist nicht witzig, sondern oberpeinlich für die taz. HEINRICH KAUTZKY, Kiel