WOCHENSCHNACK
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.

Im Visier – der deutsche Wolf

Schlachtgelüste Er entzückt und erschreckt. Der deutsche Wolf sorgt für Aufregung im Land. Dabei fressen wir viel mehr Weidefleisch. Täglich

Wolf in Fotofalle. Lebt noch! Foto: dpa

Wolfsbüros

betr.: „Er kommt uns näher, immer näher“, taz vom 25./26. 3. 17

Voller Spannung habe ich die taz am Wochenende wegen des Titelbildes erworben: „Das Märchen vom guten Wolf“. Nach der Lektüre war ich leider frustriert. Auf fast drei Seiten nur eine Wiederholung der bekannten Positionen. Dabei gäbe es viele spannende Ansätze und bekannte Tatsachen, die endlich auch von den Medien wahrgenommen werden könnten: Zum Beispiel, dass jedes Jahr in Deutschland Hunderttausende Kälber, Schafe und Ziegen in der Tierkörperverwertung entsorgt werden müssen (die Kosten trägt zu zwei Dritteln der Steuerzahler), die bei den Tierhaltern etwa durch Unfälle und Krankheiten, manchmal auch durch Verwahrlosung ums Leben kommen. Dass der Verlust von Hunderten Weidetieren, die dem Wolf zugeschrieben werden (es wird oft auch gezahlt, wenn ein Wolf als Verursacher „nicht auszuschließen ist“), zumindest wirtschaftlich bei den meisten Betrieben gar nicht ins Gewicht fällt. Dass es sehr oft auch Verluste durch Hunde und Füchse gibt, von denen aber niemand mehr spricht. Dass es keine reine Idee des Naturschutzes war, für viel Geld „Wolfsbüros“ einzurichten, die ganz überwiegend die Aufgabe übernehmen müssen, die Konflikte mit Landwirtschaft und Jagd zu managen. Dass dies eigentlich gar keine originäre Aufgabe des Naturschutzes ist, weil die Wölfe auch ohne diese Aufwendungen zurückkommen und das Geld in anderen Bereichen des Naturschutzes viel besser investiert wäre. Dass das Märchen vom guten Wolf genauso ein Märchen ist wie das vom bösen Wolf …

BERND RÜBINGER, Wiesbaden

Lauft woanders!

betr.: „Er kommt uns näher, immer näher“, taz vom 25./26. 3. 17

Warum sind Berichte in der Presse über die Rückkehr des Wolfes nicht mit mehr Fakten ausgestattet? Gibt es in Polen Kuhweideviehwirtschaft und wie machen die das? Wie viele Kuhweidewirtschaften hier sind betroffen, einzelne oder viele? Wo ist die Joggerin in Alaska von Wölfen getötet worden? In Spitzbergen würde niemand (ohne Gewehr) außerhalb der Orte unterwegs sein, wegen der Eisbären; trotz allem würde doch niemand fordern, die Bären abzuschießen. In einem Waldstück würde wegen der Schnecken niemand Gemüse anbauen – ohne massiven Einsatz von Schneckenkorn. Also, manche Sachen gehen nicht an manchen Orten – wegen der „Natur“. In Überschneidungsgebieten von Weidewirtschaft und Natur muss es schnelle unbürokratische Entschädigungen geben können. Und Wanderer mit Hund und Biker können in Gebieten mit Hütehunden dann auch nicht mehr über jede Weide laufen oder brettern; das ist dann halt so! RITA CZERWONKA, Karlsruhe

Wikiwolves

betr.: „Er kommt uns näher, immer näher“, taz vom 25./26. 3. 17

Danke, dass Sie Wikiwolves erwähnt haben – die Initiative ist die bislang einzige konstruktive Herangehensweise an dieses Thema, die mir in der Praxis begegnet ist. Konstruktiv wäre es allerdings auch gewesen, am Ende nicht nach dem Gewehr zu rufen, sondern Verhaltensregeln und Vorsichtsmaßnahmen für Spaziergänger und Hundebesitzer zu benennen. Ich hatte bei mir in der Lüneburger Heide in den vergangenen zehn Monaten drei Wolfssichtungen aus Entfernungen von 500 bis 70 Metern – alle drei mündeten trotz Hund nicht in eine Bedrohungssituation. Ich versuche es unterwegs darum weiterhin mit Aufmerksamkeit und Gelassenheit.

PETRA REINKEN, Soltau

Armer Wolf

betr.: „Er kommt uns näher, immer näher“, taz vom 25./26. 3. 17

Erst mal ist der Wolf ein wildes Tier, nicht genmanipuliert oder gezüchtet, so wie ihn die Schöpfung gemacht hat. Er weilte schon auf dieser Erde, als die Menschheit noch eine bedrohte Art war. Deswegen sollten wir ihm den gebührenden Respekt entgegenbringen und ihn schützen und helfen, wo es nötig ist. Andererseits ist er mit seiner Intelligenz zum Zivilisationsfolger geworden. Nun leben wir aber in einer Kulturlandschaft, in der jeder Baum irgendjemandem gehört, in der die Natur täglich durch Landverbrauch um circa vierzig Hektar schrumpft. Da wird es eng für alle wilden Tiere. Dieser Lebensraum wird auch noch immer mehr durch Freizeitaktivitäten genutzt. Wenn nun ein fliehendes Kind, ein Fahrradfahrer oder eine Joggerin mit Knopf im Ohr, die gar nicht merkt, dass gerade auf sie Jagd gemacht wird, den Jagdinstinkt des Wolfes weckt, wird es todernst. Von einem Wolf gefressen zu werden, stelle ich mir als schrecklichen Tod vor. Wahrscheinlich werden die Faktoren wachsende Wolfspopulation, schrumpfender Lebensraum und erhöhte Freizeitaktivität irgendwann zur Katastrophe führen. Der arme Wolf. Er ist ein tolles Tier.

CHRISTOPH KROLZIG, Öhningen

Wolfsautos

betr.: „Er kommt uns näher, immer näher“, taz vom 25./26. 3. 17

Interessanter Artikel, durchaus geeignet, um den Wolfhype etwas zu relativieren. Einerseits. Andererseits demonstriert er sozusagen am lebenden Objekt unsere höchst selektive Wahrnehmung: Über 3.000 Menschen werden allein in Deutschland jedes Jahr in aller Öffentlichkeit von Autos beziehungsweise deren Fahrern „gerissen“. Nicht einmal, um satt zu werden. Sondern aus Unachtsamkeit, Übermüdung, Trunkenheit oder purem Irrsinn. Die folgerichtige Frage, die sich aus Ihrem Artikel ergibt: „Sollen wir nicht endlich die Autofahrer zum Abschuss freigeben? Oder wenigstens irgendwie in weniger bewohnte Gegenden verbannen?“

KLAUS FREUDENBERG, Kirchzarten

Wolf ist kein Reh

betr.: „Er kommt uns näher, immer näher“, taz vom 25./26. 3. 17

Vielen Dank für den differenzierten Bericht zur Wolfsproblematik. Um es zuzuspitzen: Der Hype um die Wölfe lenkt von der gigantisch voranschreitenden Katastrophe ab, die sich im ländlichen Raum abspielt. Verschwinden der Weidewirtschaft bei reiner Stallhaltung, artenarme Mähwiesen dank Glyphosat, Grünlandumbruch, dauernder Maisanbau. Das große und bedeutende Ereignis unserer Zeit im Bereich der Fauna ist das beängstigende Verschwinden der Bienen, nicht das Erscheinen der Wölfe. Die Bauern, die naturorientiert wirtschaften, die ihr Vieh auf den Weiden stehen haben und die eine ganz andere Beziehung zu ihren Tieren haben als die Massentierhalter – diese ökologischen Landschaftspfleger werden durch die Wölfe auf Trab gehalten und in vielfacher Hinsicht geschädigt. Anders gesagt: Wenn ich strategischer Vorstand für Agrarchemikalien bei Monsanto oder Bayer wäre, so würde ich Wolfsprojekte sponsern, um im Schatten der vom Nabu befeuerten Begeisterung für ein paar Wölfe in aller Ruhe die Artenverarmung, Vergiftung und damit die agroindustrielle Kaputtverwertung des ländlichen Raumes betreiben zu können. Keineswegs ist der Wolf das „scheue Reh“, das Siedlungen meidet, wie die Wolffans gern behaupten. Das zeigen auch die in der taz genannten Beispiele von Wölfen, die sich ungeniert in Ortschaften bewegen. Der schlaue Wolf lernt halt, dass ihm von Menschen zurzeit keinerlei Gefahr droht. Nach meiner Ansicht müssen Wölfe in Siedlungszonen gejagt werden, damit sich die Population auf siedlungsferne Bereiche reduziert.

WILFRIED SAUTER, Essen