„Das Stadion gäbe Hertha etwas, was der Verein gesucht hat: Profil“

Das bleibt von der Woche Der Tarifkonflikt beim Bodenpersonal der Flughäfen ist beigelegt, die gestohlene Riesengoldmünze bleibt verschwunden, die Humboldt-Universität bildet nun auch Imame aus, und Hertha legt Pläne für ein neues Fußballstadion vor

Mehr Lohn für die Kofferwuchter

Tarifvertrag am Flughafen

Die Touristen verteuern das Leben – sollen sie ruhig etwas mehr fürs Ticket zahlen

Das ist nur gerecht: Diejenigen, die unter dem Billigflieger- und Touristenboom zu leiden haben, bekommen deutlich mehr Geld. Endlich. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die mit harten Streiks Druck gemacht hatte, werden die Stundenlöhne des Bodenpersonals der Berliner Flughäfen in vier Stufen bis 2019 erhöht, in einigen Vergütungsgruppen bis zu 1,90 Euro. Im Durchschnitt kriegen sie bislang 11 Euro.

Insgesamt entspricht der Tarifkompromiss nach Verdi-Angaben letztlich einem Lohnplus von 14 Prozent, die Arbeitgeber errechnen 13 Prozent. Die lange Laufzeit des Tarifvertrags, während der eine Friedenspflicht herrscht, kommt den Berliner Flughäfen und den Passagieren entgegen. Bis März 2020 wird das Bodenpersonal nicht streiken. Während der Streiktage waren Hunderte Flüge ausgefallen, weil etwa Gepäck nicht durchleuchtet oder transportiert werden konnte.

Mit dem konsequenten Streik war dem Berliner Senat – das Land Berlin ist neben Brandenburg und dem Bund Eigentümer der Flughäfen – die eigene neoliberale Politik auf die Füße gefallen. Denn die Auslagerung der Bodendienste, die jahrelanges Lohn-Dumping ermöglichte, führte nun dazu, dass ein Streik dieser Berufsgruppe den ganzen Verkehr lahmlegte. Vergleicht man es mit der BVG, hieße das: Hätte der Senat dort die Werkstätten ausgelagert, um Löhne zu drücken, könnten die Mechaniker den Nahverkehr durch Streik zum Stillstand bringen – erst die Schrauber, dann die Busfahrer. Da ist es doch für alle Berliner und Berlinerinnen besser, wenn im öffentlichen Dienst für alle Beschäftigten gemeinsam verhandelt wird.

Dass die Kofferwuchter mehr Lohn kriegen, ist mehr als recht und billig. Die Stadt, in der sie leben, ist in den letzten Jahren immer teurer und voller geworden. Das mindert die Lebensqualität, denn jeder Euro, der für eine überhöhte Miete draufgeht, fehlt an anderer Stelle, von überfüllten U-Bahnen, Parks, Museen, aber auch Behörden, Kitas und Schulen zu schweigen. Diese Entwicklung wurde auch durch die Massen an Touristen beschleunigt – sollen sie ruhig ein paar Euro mehr für ihren Flug bezahlen. Richard Rother

Vorbild: die Panzer-knacker

Einbruch ins Bode-Museum

Historisch ­bedeutsam ist die Münze nicht, aber dafür protzig

Ganz ehrlich: Diese Münze ist nicht nur so groß wie ein Autoreifen, sie ist auch genauso hässlich. Niemand würde sie sich freiwillig in die Vitrine im Wohnzimmer stellen. Trotzdem darf bezweifelt werden, dass jemand, der die „Big Maple Leaf“ mit dem Konterfei von Queen Elizabeth II. finden würde, sie ganz ehrlich wieder ins Bode-Museum zurückbrächte. Denn die Münze, die in der Nacht zu Montag aus dem Haus auf der Museuminsel gestohlen wurde, wiegt 100 Kilo und ist aus reinstem Gold.

Es war ein filmreifer Coup: Nach bisherigem Ermittlungsstand der Polizei kletterten die Diebe gegen halb vier Uhr morgens von der S-Bahn-Trasse direkt hinter dem Museum mit einer ausziehbaren Aluleiter auf einen Gebäudevorsprung und stiegen durch ein Fenster ein. Anschließend liefen sie durchs halbe Museum ins Münzkabinett, zertrümmerten die Panzerglasvitrine der Riesenmünze, liefen wohl den gleichen Weg zurück und transportieren sie mit einer Schubkarre zum Monbijoupark. Dort stiegen sie in ein Fluchtauto und verschwanden.

Warum die Alarmanlage des Museums nicht anschlug, will die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht mitteilen. Ungeklärt ist auch, ob die Täter – wegen des Gewichts der Münze wird von mindestens zwei Personen ausgegangen – Helfer im Museum hatten.

Sicher sind sich Experten und Ermittler, was die Diebe mit der Münze vorhaben: Sie wollen sie einschmelzen. Schließlich hat sie beim aktuellen Goldprei­s einen Materialwert von rund 3,75 Millionen Euro. Auch das Einschmelzen ist keine leichte Aufgabe: Gold hat einen Schmelzpunkt von 1.064 Grad, auch muss die Münze dafür vorher zerkleinert werden. Aber wer derart cool in ein Museum einsteigt, könnte auch das ­schaffen.

Das Museum hofft derweil, dass es die Münze weitgehend heil zurückbekommt. So lange könnte untersucht werden, warum das Trumm überhaupt dort ausgestellt war. Natürlich ist das Riesengoldstück selten: Nur fünf Stück wurden von dem Königlich Kanadischen Münzamt geprägt. Allerdings erst 2007. Historisch bedeutsam ist sie nicht. Sondern einfach nur protzig. Bert Schulz

Vorsicht vor reaktionären Attacken

Islam-Institut an der HU

Im Beirat des Instituts sitzt kein einziger Vertreter einer liberalen Gruppe

Zur Frage der Wissenschaftlichkeit des universitären Faches „Theologie“ kann man streiten – solange die christliche Religion an deutschen Universitäten „bekenntnisorientiert“ gelehrt wird, gibt es keinen triftigen Grund, es ausgerechnet der islamischen zu verwehren. Insgesamt herrscht denn auch auf allen Seiten Zufriedenheit, dass am vergangenen Montag nach jahrelangen Debatten die Gründung eines Instituts für Islamische Theologie an der Humboldt-Uni auf den Weg gebracht wurde.

Gerade liberale Muslime hegen dadurch die Hoffnung, dass irgendwann einmal akademisch ausgebildete Frauen und Männer die Freitagspredigt auf Deutsch halten und Religionsunterricht erteilen können. Transparenz, Aufgeschlossenheit, Dialogfähigkeit, all das sind Dinge, die mit einem einheimischen Islam-Studium verbunden werden.

Berlin ist dabei keineswegs der Vorreiter: Islamische Theologie wird schon an fünf deutschen Universitäten gelehrt. Dort hat man bereits schmerzlich erfahren müssen, was es bedeutet, die großen – allesamt konservativen – islamischen Verbände über einen Theologischen Beirat einzubinden, wie es auch in Berlin vorgesehen ist. In Münster sabotiert der Beirat seit Jahren den liberal orientierten Kurs von Institutsleiter Mouhanad Khorchide.

Auch an der HU – wo unter anderem der wegen seiner Nähe zum türkischen Staat umstrittene Ditib e. V. einen festen Sitz in dem Mitwirkungsgremium haben wird, aber kein einziger Vertreter einer liberalen Gruppe – wird sich zeigen müssen, ob der selbst gesetzte Anspruch etwaigen Attacken aus dem Beirat standhalten kann. Noch hat der Gründungsbeauftragte Michael Borgolte es in der Hand, den Einfluss der Reaktionäre auch strukturell zu begrenzen.

Nicht auszuschließen ist allerdings, dass am Ende gut ausgebildete und dialogbereite ImamInnen und ReligionslehrerInnen in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, weil sie von Ditib & Co abgelehnt werden. Andererseits – die ideologische Vormacht der Verbände muss ja auch nicht ewig halten.

Claudius Prößer

Glaub-würdigkeit für Hertha

Neues Fußballstadion

Nach etwas ­taktischem Hin und Her dürfte auch der Senat zustimmen

Hertha baut an seiner Zukunft. Das neue Stadion ist gut und richtig dafür. Ewig hat der Club versucht, sein Image mit Kampagnen zu reformieren. Die pinkfarbenen Trikots, Start-up-Sprüche und englischen Slogans hatten aber irgendwie immer was von spätpubertärer Sinnsuche und waren oft zum Fremdschämen. Ein neues, reines Fußballstadion im Olympiapark bringt Glaubwürdigkeit ins Zukunftsprojekt Hertha: eine authentische Heimat, dort, wo der Verein verwurzelt ist, ein Ort mit Atmosphäre, der für Hertha steht und nicht für Olympische Spiele und WM. Das Stadion gäbe Hertha etwas, was der Verein lange gesucht hat: Profil.

Der Zeitpunkt ist auch deshalb sinnvoll, weil mit dem 1. FC Union Berlin vermutlich ein zweiter Hauptstadtverein in die Bundesliga aufsteigen wird. Die Konkurrenzsituation in der ­Ersten Liga würde Hertha endlich aus der selbst auferlegten „Wir repräsentieren ganz Berlin“-Hybris be­freien.

Stattdessen könnten die neue Rivalität und die beiden Stadionprojekte der Clubs Berlin ein Stückchen mehr zur Fußballstadt machen. Das größte Hindernis wäre nicht die private Finanzierung, die seit dem Bauboom vor der WM 2006 an vielen deutschen Standorten praktiziert wurde, sondern das alte Olympiastadion. Dass der Senat kein Millionengrab will, ist nachvollziehbar, wird sich aber kaum vermeiden lassen: Fußballstadien altern, und die wenigsten lassen sich nach Auszug des Vereins profitabel nutzen.

Das ändert sich aber auch nicht, wenn der Senat den Schritt hinauszögert. Ein Umbau des Olympiastadions, wie ihn Sportsenator Andreas Geisel (SPD) vorschlägt, wäre teuer und ineffizient – weder das Größenproblem noch das Problem des Mangels an Modernität würden dadurch gelöst.

Die Alternative Ludwigsfelde, südlich des Stadtrands, die Hertha ebenfalls ins Spiel gebracht hat, ist eigentlich für alle Beteiligten nur Verhandlungsmittel, keine Option. Berlin will Hertha nicht verlieren, Hertha will nicht gehen, die Fans wollen sowieso nicht raus ins Umland. Auch der Senat hat jetzt signalisiert, dass man den Verein in Berlin halten will. Nach taktischem Hin und Her dürfte es schließlich auch eine Zustimmung zum Stadionbau in Berlin geben – alles andere würde das Problem nur vor sich herschieben, nicht lösen.

Alina Schwermer