LeserInnenbriefe
:

taz.die tageszeitung | Rudi-Dutschke-Str. 23 | 10969 Berlin

briefe@taz.de | www.taz.de/zeitung

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor.

Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Das Gift der Koch/Bouffier-Ära

betr.: „Es braucht vollständige Aufklärung“, taz vom 4. 4. 17

Wow, ihr seid wirklich hellwach! Da veröffentlicht ihr wieder mal als Erste die Ergebnisse einer Untersuchung aus London zu dem NSU-Mord in Kassel, die wissenschaftlich untermauert, dass Verfassungsschützer Andreas Temme was gehört und gesehen haben muss! Was eigentlich jedermann von vornherein klar war. Aber das Gift der Koch/Bouffier-Ära hat eben Langzeitwirkung, wie man auch an der saloppen Rumeierei des ehemaligen hessischen Innenministers Boris Rhein sehen kann. Nur umso peinlicher, wenn dann doch was ans Licht kommt.

ILONA HORN, Marburg

Nicht ein Therapieplatz mehr

betr.: „Krisengespräche im 25-Minuten-Takt“, taz vom 31. 3. 17

Die neuen Richtlinien werden keinesfalls die Versorgung der Patienten verbessern! Nur weil man bestimmten Leistungen jetzt einen anderen Namen gibt und uns Psychotherapeuten absurde Verpflichtungen auferlegt, wird es künftig nicht einen Therapieplatz mehr geben. Ganz im Gegenteil: Da wir ab sofort gezwungen sind, 200 Minuten in der Woche unentgeltlich in der „telefonischen Sprechzeit“ Patienten zu verwalten, geht diese Zeit in vielen Praxen, die sich keine Telefonkraft leisten können oder niemanden dafür finden, von der zur Verfügung stehenden Therapiezeit ab. 88 Euro pro Therapiesitzung mag für manch einen viel klingen – wenn man jedoch die laufenden Kosten abzieht, die man mit dem Unterhalt einer Praxis sowie der eigenen Absicherung als Selbstständiger hat, bleibt davon der geringste Teil beim Therapeuten hängen.

Wir sind bestens und aufwändig ausgebildet: Nach dem Studium der Psychologie muss eine mehrjährige kostenpflichtige Ausbildung absolviert werden, um Approbation und Fachkundenachweis für ein Richtlinienverfahren zu erlangen. Dennoch liegen wir mit unseren Honoraren weit unterhalb des Durchschnitts der anderen Facharztgruppen.

In Anbetracht der Jahresprävalenz behandlungsbedürftiger psychischer Störungen in der BRD (etwa ein Drittel der Bevölkerung) sollte der Stellenwert dieser Problematik entsprechend sein. Es ist absurd, wenn die Helfenden, die dazu beitragen, dass ein Patient wieder arbeitsfähig wird und damit nicht nur ein gesundheitlicher, sondern auch ein wirtschaftlicher Schaden begrenzt wird, derart ausgebeutet werden. Zum Vergleich: Ich habe vor einigen Jahren eine Beratung wegen eines beruflichen Problems bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht in Anspruch genommen: 226 Euro für weniger als eine halbe Stunde (ohne etwas Schriftliches bekommen zu haben). Wie viel ist die (psychische) Gesundheit unserer Gesellschaft wert? NADINE LICHTSINN, Salzgitter

Welchen Patienten hilft das?

betr.: „Krisengespräche im 25-Minuten-Takt“, taz vom 31. 3. 17

Der GKV-Spitzenverband der Krankenkassen hat es seit Jahren vermieden, eine bedarfsgerechte Planung für die Behandlung von seelischen Störungen in Auftrag zu geben, offensichtlich aus Angst vor ausufernden Kosten. Dies hat eine angemessene psychotherapeutische „Versorgung“ ihrer Mitglieder bisher verhindert.

Unter diesem Druck versucht der GKV dieses Dilemma kostenneutral zu regeln. Wie schon bei dem Thema Strukturzuschlag wird von den Verwaltungsleuten und Gesundheitsökonomen zunächst ein Betrag festgelegt und irgendetwas drumherum gestrickt. Auf diese Weise kommt eine „Akutbehandlung“, ein „Talking down“ einer akuten Problematik, zustande. Zudem wird die Kurzzeittherapie zum Beispiel in der Verhaltenstherapie von bisher 25 Einheiten in 2 x 12 antragspflichtige Einheiten zerstückelt. Die Kostenübernahme erfährt nur der Patient. Die eigentlich ökonomische Gruppentherapie wird weiter mit erheblicher Verwaltungsarbeit und mit Durchführungsproblemen belastet. Welchen Patienten das hilft? Das steht wohl nicht im Vordergrund. Es hilft nur den Gesundheitsökonomen des GKV. Die Kassen sind nur an Beitragszahlern interessiert, nicht an menschlichen Schicksalen. ULRICH HEGEMANN, Greven

Im Nachtzug nach Slowenien

betr.: Kolumne „Herbstzeitlos“, taz vom 30. 3. 17

Auch wenn es für eine Zeitung, die dem nachhaltigen Handeln traditionell verbunden ist, selbstverständlich sein sollte: Ich möchte es nicht versäumen darauf hinzuweisen, dass man Slowenien durchaus auch mit dem (Nacht-)Zug erreichen kann. Von Berlin nach Ljubljana gelangt man zum Beispiel bequem im Schlaf- oder Liegewagen, wahlweise über München oder Wien. Zugegeben – es gibt schnellere Verbindungen in Mitteleuropa, aber so bleibt noch genügend Zeit für die kulturelle Begegnung mit Mitreisenden oder das Verfassen einer neuen Folge der taz-Serie „Nachtzugkritik“. SEBASTIAN WILKEN, Oldenburg

Lieber die Zahnradbahn

betr.: „Es braucht vollständige Aufklärung“, taz vom 4. 4. 17

„Ein Stück Bilderbuch-Bayern“ war die Eibsee-Seilbahn meines Erachtens nicht. In zehn Minuten fast zwei Höhenkilometer hochzurasen finde ich pervers, und auch nicht unbedingt gesund. Dann sich doch lieber die Zeit nehmen und die Zahnradbahn, Abfahrt gleich neben dem DB-Bahnhof, zweckmäßigerweise nur bei klarem Himmel, sonst steht man womöglich oben im Nebel und ärgert sich, dass man einen Haufen Geld ausgegeben und trotzdem keine Aussicht hat.

ERNST SOLDAN, Norderstedt