kommentar Benno Schirrmeister über einen Pflichttermin: Stell dir vor, es ist Theater
Juchu! Bremen hat ein neues Theater, im Schlachthof. Mensch, das ist doch – toll. Allerdings tut offenbar not, diese Meldung zu kontextualisieren, um den Jubel zu verstehen, den sie auslöst.
Oder besser: Hätte auslösen müssen. Denn so groß war er ja gar nicht. Ohne Haute Volée des Undergrounds, fast ohne Größen der eher überschaubaren Performing Arts- und Theaterszene, ohne Berufstheaterbegeisterte war die Eröffnungsfeier am 1. April da oben im Schlachthof-Turm intim und nett. Aber, Mensch, Leute, Bremen hat ein neues Theater! Das ist eine Sensation angesichts der jüngsten bühnenstandortpolitischen Meldungen. Die lauteten: Das Bremer Kriminaltheater muss Asyl beantragen in einer – hübschen – Brauerei. Die legendäre Fassbinder- und Tabori-Spielstätte Concordia liegt in Trümmern. Das Musical-Theater macht Ende 2017 dicht, damit am Richtweg endlich Luxuswohnungen entstehen.
Im Schlachthof-Turm macht dagegen der Theaterbesessene Tobias Pflug mit denen, die er ansteckt ernst. Da bauen sie in fast grenzenloser Selbstausbeutung aus einem abgefuckten, vermüllten, beinahe rundumverglasten und schmutzigweißen Räumchen einen echten Black-Cube mit blickdichten Läden, technikfähiger Deckenkonstruktion und trittfester Bühne. Da entsteht ein Raum, in dem alles gedacht werden kann, eine Brutstätte, um Welten herzustellen, die für Wahrheit so transparent sind, wie die Schöpfung Gottes es hätte sein sollen.
„Wir“, hat Pflug bei der Eröffnung gesagt, „glauben daran, dass Bremen jetzt Theater braucht.“ Möglich, dass sich diese optimistische Überzeugung, gebraucht zu werden, in den besser gesettelten und abgeklärteren Teilen des Kulturbetriebs abnutzt. Aber aufgeben kann dieser, wenn er das Sensorium dafür verloren hat, zu kapieren, dass diese Eröffnung das Theaterereignis der Saison gewesen ist. Das, wo man dabei sein muss.
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