Tony Blair will mehr New Labour

Der britische Premierminister lässt bei seiner Rede auf dem Parteitag der Labour Party die Frage eines Rücktritts weiter offen. Der designierte Nachfolger, Gordon Brown, schwelgt in Harmonie und klammert Streitpunkte aus

DUBLIN taz ■ Von seinem Rücktritt hat er nicht gesprochen. Der britische Premierminister Tony Blair konzentrierte sich in seiner Rede auf dem Labour-Parteitag in Brighton auf die Reform der öffentlichen Dienste. Er sagte, in den ersten beiden Legislaturperioden nach dem Wahlsieg 1997 sei es darum gegangen, das verheerende Erbe der Tory-Regierung zu korrigieren. Nun müssen die Bereiche Bildung und Gesundheit radikal reformiert werden, damit „nicht nur die Reichen, sondern auch hart arbeitende Familien in den Genuss besserer Angebote“ kommen.

Dazu sei nicht weniger New Labour, sondern mehr New Labour vonnöten, sagte Blair. Mit anderen Worten: Die Regierung will Privatinvestoren stärker ins Bildungswesen und in den Gesundheitsbereich einbinden. „Diese Kombination von einem detaillierten politischen Programm und New-Labour-Werten ist angesichts immer schnellerer Veränderungen in der Welt der Garant für einen vierten Labour-Sieg bei den nächsten Parlamentswahlen“, sagte Blair.

Der Premierminister versprach, sich dafür einzusetzen, dass die Märkte der Industrieländer für Drittweltländer geöffnet werden. Er kündigte außerdem an, dass Großbritannien wieder verstärkt auf Atomkraft setzen werde. Die Energiepolitik, so sagte er, dürfe nicht von den instabilsten Ländern der Welt abhängen.

Natürlich wurde trotz Blairs Schweigen darüber spekuliert, wann er den Weg für seinen designierten Nachfolger, den Schatzkanzler Gordon Brown, frei macht. Das Thema ist ein Dauerbrenner, seit behauptet wird, dass Blair und Brown bereits vor dem Labour-Wahlsieg 1997 einen Pakt geschlossen haben, wonach Blair innerhalb seiner zweiten Amtszeit zugunsten Browns zurücktreten werde. Beide bestritten, einen solchen Pakt geschlossen zu haben, und Blair regiert nun schon in seiner dritten Legislaturperiode. Innenminister Charles Clarke sagte vorgestern dagegen, es sei „nicht unvorstellbar, dass Blair auch in vier Jahren noch im Amt“ sei. Und einer von Blairs Beratern sagte: „Es gibt noch genügend Arbeit für die nächsten zwei Jahre oder länger.“

Es war eine gezielte Provokation. Browns Anhänger verlangen, dass Blair innerhalb von 18 Monaten aus dem Amt scheidet. Der Schatzkanzler will in den kommenden zwölf Monaten in alle Regionen Großbritanniens reisen und seine Pläne für „wirtschaftliche, soziale und konstitutionelle Veränderungen“ vorstellen und „zuhören, verstehen, lernen“. Seine Rede am Montagabend strahlte jedoch vor allem den Wunsch nach Harmonie aus. Brown lobte Blair in den höchsten Tönen. Er sei ein „exzellenter Premierminister“, dessen Modernisierung der Labour Party Grundlage für die Wahlerfolge war.

Brown will dort anknüpfen und „New Labour erneuern“. Er sagte: „Unsere Werte sind Fairness für alle und Verantwortung für alle. Unser Land vereinigt als moralische Gemeinschaft. Eine großartige britische Gesellschaft. Dafür stehen wir. Und gemeinsam können und werden wir das erreichen.“ Brown vermied sämtliche Konfliktpunkte: das Streikrecht, das eingeschränkt werden soll, der Krieg im Irak, die Privatisierung der Gesundheitsfürsorge – Fehlanzeige. Blairs Anhänger hegen den Verdacht, dass Brown die unangenehmen Dinge dem Premierminister überlassen will.

Der Schatzkanzler sprach über Bildungsreform und über sein Ziel, die Kinderarmut bis 2010 zu halbieren.Und er gab sich einen grünlichen Anstrich: Er will alternative Energiequellen stärker fördern. „Das hätten wir schon vor Jahren tun müssen“, sagte er. Der Sinneswandel, so glauben seine Kritiker, sei nicht grundsätzlicher Natur, sondern hänge mit den steigenden Ölpreisen zusammen. RALF SOTSCHECK