Eine blasse Linie zwischen Schutz und Kampf

Ausweitung der Afghanistan-Mission heute im Bundestag. Trennlinie zu Kampfeinsätzen wird immer unschärfer

BERLIN taz ■ „Sie wissen, dass ich zu dem Einsatz der KSK nichts sage und dabei bleibt es auch.“ Als Bundesverteidigungsminister Peter Struck vergangene Woche die Presse über die angestrebte Verlängerung des Mandats der internationalen Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) informierte, wies er Fragen zum Einsatz des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan zurück. Auch die Abgeordneten des (eigentlich schon abgewählten) Bundestags, die heute über die jährliche Verlängerung des Isaf-Mandats entscheiden müssen, wissen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nichts über den Einsatz der vermutlich 100 KSK-Soldaten, die unter dem Anti-Terror-Mandat „Enduring Freedom“ in Afghanistan aktiv sind.

Mit der heute anstehenden Verlängerung der formell davon getrennten Isaf-Mission wird der Bundestag auch deren Kontingent aufstocken. 3.000 Soldaten darf die Bundeswehr künftig im Rahmen von Isaf nach Afghanistan schicken. Zudem wird das Einsatzgebiet ausgeweitet. Die deutschen Isaf-Truppen werden künftig im gesamten Norden des Landes eingesetzt. Bei „zeitlich und im Umfang begrenzten“ Einsätzen gilt das Mandat sogar für ganz Afghanistan.

Mit dieser räumlichen Ausweitung könnte die von der Bundesregierung stets angeführte klare Abgrenzung zu den Kampfeinsätzen der Operation „Enduring Freedom“ noch unschärfer werden. Denn im Süden und Osten des Landes führen US-geführte Truppen, mit Unterstützung des KSK, weiterhin Krieg gegen die Taliban und al-Qaida. Pentagon-Chef Donald Rumsfeld drängt deshalb auf eine volle Zusammenlegung der Einsätze. Mit wachsendem Erfolg. Bei der Nato in Brüssel kursieren längst Pläne, die ein gemeinsames Kommando für die Missionen vorsehen.

Trotz der zunehmenden Verzahnung zwischen Kampftruppen und Isaf-Verbänden werden nur die vier Obleute der bislang im Verteidigungsausschuss vertretenen Fraktionen alle paar Wochen über den KSK-Einsatz unterrichtet. Dabei gilt strikte Geheimhaltung. Auch ihre KollegInnen im Bundestag dürfen nichts über den von ihnen selbst mandatierten Einsatz erfahren.

Als die an den Unterrichtungen nicht beteiligte PDS-Abgeordnete Petra Pau Ende August beim Verteidigungsministerium nach dem konkreten Auftrag der KSK fragte, musste sie mehrmals eine Antwort anmahnen. Erst zwei Tage nach der Bundestagswahl erfolgte der Verweis auf die Unterrichtung von Mitgliedern des Verteidigungsausschusses „über den dafür vorgesehenen Weg“. Selbst Winfried Nachtwei, als Grünen-Obmann im Verteidigungsausschuss einer der wenigen informierten Abgeordneten, bemängelt inzwischen die „Rundum-Geheimhaltung“ bei KSK-Einsätzen, die „Gerüchte und Desinformation“ begünstige. Nachtwei plädiert deshalb für mehr Transparenz.

Viel Zeit bleibt dafür nicht. Mitte November läuft das Mandat für „Enduring Freedom“ aus. Dann müssen alle Abgeordneten über die Verlängerung entscheiden – und damit über den KSK-Einsatz, der ihnen offiziell gar nicht bekannt ist.

ERIC CHAUVISTRÉ